Zeitreise 1965

               Dann mal los

 

 

Schließen Sie die Augen, denken Sie wir befänden uns im Jahr 1965. Gehen Sie mit mir auf eine virtuelle Reise durch das Gebäude der Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz in Speyer im beinahe Neuzustand. Es gibt noch keine Gleitzeit, ergo keine Stechuhren, pardon jetzt sind es ja elektronische Zeiterfassungsgeräte. Die Arbeitszeit ist festgelegt. Dadurch "strömen" die Mitarbeiter in das Gebäude. Gehen Sie trotzdem langsam den Weg den ich beschreibe.

 

Der frühere beidseitige Haupteingang ist den meisten Kollegen und Kolleginnen sicher noch bekannt. Im Foyer empfängt der Portier Josef Vogel die Besucher. Es sind wenige Besucher, die zur Hauptstelle kommen. Sie können in den Sesseln vor der Schieferwand mit den Symbolen für die Heilstätten Platz nehmen. Herr Vogel ist für die Ausgabe der Essenmarken zuständig. Bunte Blöckchen für Haupt- und Kurzgerichte. Ja, die Kolleginnen und Kollegen mussten sich damals schon zu Wochenbeginn entscheiden, was sie in der Woche mittags essen wollten. Zudem hatte Herr Vogel noch die "angenehme"  Pflicht die Passierscheine mit der Uhrzeit -verlassen oder betreten der Dienststelle während der Dienstzeit- zu versehen und darüber zu wachen, dass die vier Aufzüge in Funktion waren.

 

Jetzt wird es gleich einen Moment gruselig. Wir gehen zur Haupttreppe (Südseite) und steigen zwei Treppen abwärts in den Rohrkeller. Hier lagern Versicherungskarten aus dem 19. Jahrhundert, ab 1889 bis etwa 1901. Dort sind auch die Listen der von den Aufrechnungsbehörden (die Ausstellung und Aufrechnung der Versicherungskarten wurde honoriert) übersandten Versicherungskarten deponiert. Dazwischen stehen einige Büromöbel und sonstiges Diverses. Angeblich auch Ratten!!!

 

Wir gehen eine Etage zurück in das Untergeschoß des Hauptgebäudes und schauen zunächst nach links. Da ist ja nur eine doppelflüglige Glastür! Ja, aber dahinter beginnt das Labyrinth, die Versicherungskartenverwaltung. Die Karten werden in großen grauen Kästen -männlein und weiblein getrennt- aufbewahrt. Die Büros, der Zugang zur neuen Tiefgarage, der Flur zum Tunnel waren ein großer Raum für die VKV -weiblich- die Räume der EDV waren offen und ein großer Raum für die VKV -männlich-, quasi die ersten Großraumbüros. Wir schauen geradeaus Richtung Berufsschule. Hier befanden sich rechts die Postverteilungsstelle der Beitragsabteilung und das Aktenarchiv. Linkerhand wirkten die Mitarbeiter der WAV (Wanderarbeiterversicherte, LVA - BfA, LVA-Knappschaft/Seekasse/Bahn).

  

Im rechten Seitentrakt regierte unter anderem der Schreiner Franz Clade. Weitere Räumlichkeiten waren für die Kraftfahrer und die Küche reserviert. Wir haben uns langsam der Nebentreppe genähert und gehen ganz vorsichtig zurück in das Erdgeschoß. Unser Blick liegt direkt auf der Poststelle. Daran schließt sich das Materiallager (einschl. Handtuchtausch) an. Die Wohnung des Hausmeisters .... Matuszewski (der einzige Beamte im einfachen Dienst) schließt den Seitentrakt. Provisorische Räume der Beitragsabteilung, Umdruckstelle und Kopierstelle reichen bis zur Nebentreppe.

 

Wir gehen am Treppengeländer entlang, kein Lastenaufzug stört uns. An der Ecke nach rechts gespitzelt ist der Ausgang zum Wirtschaftshof. Links vorne vor dem Hauptgebäude die Telefonzentrale, genau wie heute.

 

Wieder heißt es Treppen steigen. Blickrichtung wie gehabt. Hauptkasse und Vermögensabteilung links. Rechts Rechnungsprüfungsstelle und Widerspruchsstelle. Zunächst sind keine weiteren Stufen zu bewältigen. Wir gehen im ersten OG vorbei am Büro des Personalratsvorsitzenden Ruprecht Wagner,

über das Hauptgebäude zum westlichen Seitentrakt. Vorbei an der Bücherei und Bibliothek. Heute Sitz des Personalrates. An der zweiten Nebentreppe angekommen, pst! bitte leise, hier residierte die Führungsebene. Man höre und staune, es gab drei Direktoren. Gegenüber war das Büro der Selbstverwaltung und Teile der allgemeinen Verwaltung. Halt da war, da ist doch noch was? Ach ja, der "Blaue Salon". Der hat schon manchen jungen Beamten schwitzen sehen. Wurden hier doch lange Zeit die mündlichen Prüfungen abgehalten.

 

So jetzt geht es abwärts. Hier wirkten die Mitarbeiter der Personalverwaltung und der allgemeinen Verwaltung, mit dem singenden Kollegen Hans Purmann. Unter dem "Blauen Salon" wurde gewaltiges Wissen umgewälzt. Dort wo jetzt Büroräume und der Durchgang zum Archiv bestehen, war der Schulungsraum für Beamte des mittleren und gehobenen Dienstes. Noch alles klar????

 

Wieder zurück am Foyer vorbei und wir stehen erneut an unserem Ausgangspunkt, diesmal zu den Fahrstühlen gewendet. Dieses Stockwerk und das zweite und dritte Stockwerk beherbergte weitere Teile der Beitragsabteilung und die Handwerkerversicherung.

 

Das vierte Obergeschoß gehörte der Abteilung IVa "Allgemeine Erkrankungen". Im Stockwerk fünf saß die Abteilung IVb "Tuberkulosefälle".

 

Aufwärts geht’s. In den Obergeschoßen sechs bis zwölf wirkten die Rentenabteilung/Verbindungsstelle, einschließlich deren Postverteilungsstelle und das Archiv.

 

Im 13. Stock angekommen, fand und findet man seit eh und je die Küche, das Kiosk und die Kantine. Damals konnte man auch schon von der Kantine aus die Balkone betreten und frei Richtung Haardt oder Odenwald schauen. Ich hatte dabei immer ein mulmiges Gefühl.

 

Und zum Schluss: Während meinen Ausbildungen 1965/66 und 1973-75 hatte ich fast alle Ecken des Hochhauses kennen gelernt, gesehen und betreten. Aber auf eine Stelle habe ich bis  heute noch keinen Fuß gesetzt, auf das Sonnendeck.

 

 

Erich Peter Kuhn©

Redaktionell ergänzt im Juli 2014