Padischah

                                  (Befehlshaber)

 

 

 

 

Vernehmungsprotokoll

 

Im Gefängnis

 

Der Magnat

 

Flucht

 

Revolte

 

Machtkampf

 

                                         Rache

 

Rehabilitation

 

Neues Leben

 

Stiftung wird wahr

 


Protokoll vom 27. Oktober 1997 zum Verhör im

Polizeipräsidium in Speyer.

 

Anwesend:     Polizeihauptkommissar                                             Weschler,            Helmut

                        Polizeikommissar

            Neuner,          Jürgen

                                    Polizeipsychologe

            Martin-Naumann,                                                    Franz-Josef   

 

Beschuldigter:            Katin,Erich

 

 

Mord an dem Psychologen Dr. Kahnig, Anton

am 30. September 1997

 in Speyer, Ernst-Bebel-Str. 19

 

 

 

Ich hatte seit längerer Zeit immer wieder den gleichen Traum, der mir letztendlich familiäre, berufliche und persönliche Probleme bescherte.

Was war das für ein Traum? Unterbrach der Polizeihauptkommissar.

 

Ich träumte, ein angesehenes Konsortium in Südamerika würde mich als Erbe einsetzen. Es  ging um eine riesige Summe. Damit das Geld nicht zu einer persönlichen Katastrophe führe, wollte ich eine Stiftung einrichten. Mich als Präsidenten etablieren und mit einem sehr guten Gehalt an dem Erbe partizipieren.

 

Für die Stiftung hatte ich in meinen Träumen schon sehr konkrete Vorstellungen ausgearbeitet. Sie sollte „global“ heißen, was nicht zwangsläufig so zu verstehen war, dass sie weltumfassend wäre, sondern problemumfassend. Es konnte genauso gut die finanzielle einmalige, oder laufende Unterstützung des Einzelnen sein, wie die mehrfache Bezuschussung bei Renovierungsarbeiten von weltlichen oder kirchlichen Gebäuden.

 

Diese klaren Vorstellungen wurden zum Alptraum, was mich zu dem Psychologen Dr. Kahnig führte.

 

Meine Träume hatten mich so gepackt, dass ich tatsächlich anfing Geld zu verschenken oder Zusagen von Spenden zu machen, die ich nicht halten konnte.

 

Meiner Frau Angela fiel meine Großzügigkeit, unsere Alterssicherung abzubauen, die Ersparnisse zu verschleudern, zunächst nicht auf. Erst als das Girokonto erheblich im Minus stand und die Bank den Ausgleich anmahnte, da erkannte sie, dass sich nicht nur unser Bankkonto gewandelt hat, sondern auch ich. Einem Tiefschlag gleich, muss es ihr gewesen sein, dass ich auch Verwandte, Bekannte und Freunde mit hineingezogen hatte.

 

Eine sofortige Kündigung durch meinen Arbeitgeber war eine logische Folge, als ihm bekannt wurde, dass ich die Firma bei Abrechnungen betrogen hatte.

 

Unsere finanzielle Situation führte zu familiären Problemen, dennoch hielt Angela eisern zu mir. Sie schleppte mich zur Schuldnerberatung und zum Psychologen.

 

Bei den ersten Sitzungen war sie mit dabei. Dann erhielt sie wider Erwarten eine sehr gut bezahlte Stelle bei einem jungen Unternehmen in der Computerbranche und konnte nicht mehr teilnehmen. Mit ihrem Einkommen war es möglich, die dringensten finanziellen Probleme zu bewältigen. Ihr beruflicher Erfolg stürzte mich jedoch in eine tiefe Krise. Weitere Sitzungen bei dem Psychologen Dr. Kahnig waren notwendig.

 

Dr. Kahnig war von meinen sozialen Träumen so angetan, dass die weiteren Sitzungen keine Hilfe brachten, sondern ein Rückfall in vergangene Zeiten erfolgte. Er hatte mich äußerst geschickt manipuliert. Meine soziale Einstellung benutzte er, um sich zu bereichern. Er überzeugte mich von seinen Projekten und brachte mich dazu, Geld, das Angela erwirtschaftete, in seine obskuren Einrichtungen zu investieren. Dieser Vertrauensbruch gegenüber Angela brachte das Fass zum Überlaufen. Angela verließ mich.

 

Alle Beteuerungen  mich zu bessern und der Hinweis, dass sie mich zu diesem Psychologen geschleppt hatte, nutzten nichts. Angela war sogar so weit sich scheiden zu lassen.

 

Ich rutschte immer tiefer in den Sumpf. Ich wurde von der Gesellschaft ausgestoßen. Alle Schuld gab ich Dr. Kahnig. Ich steigerte mich in Hassgefühle. Schriftliche Drohungen folgten. Ich demolierte seinen Pkw. Aber ermordet habe ich ihn nicht.

 

Auf diese zuletzt  sehr impulsive Aussage hielt mir die Gegenpartei alle bekannten Fakten entgegen:

 

Ø     Die Tat wurde mit ihrem Messer „Schrade + PH 2 U.S.A 440 Steinless“ ausgeübt.

 

Ø     Es waren nur ihre Fingerabdrücke festgestellt worden.

 

Ø     Sie hatten Schnittverletzungen am rechten Unterarm.

 

Ø     Sie waren von zwei Zeugen erkannt worden.

 

Meine Gegenargumente, dass zwangsläufig auf meinem Messer meine Fingerabdrücke sein müssten, dass ich mir die Verletzung bei einem Bruch (den ich aus Angst nicht beendete) holte und die Zeugen nur meinen Aufenthalt vor dem Praxisgebäude bestätigen konnten, halfen nicht. Ich wurde in U-Haft genommen.

 

Da ich mir keinen Anwalt leisten konnte, wurde mir ein Pflichtverteidiger zugewiesen. Ein richtiger Versager. Der hatte nur eines im Kopf. Ich sollte die Tat zugeben und er würde auf Totschlag im Affekt plädieren. Bei guter Führung schätzte er  sechs  bis acht Jahre nur. Ich beteuerte und wiederholte, dass ich unschuldig bin und diesem Ansinnen keinesfalls zustimme.

 

Am Tag der Urteilsverkündung wurde ich als Versager gebranntmarkt und als Mörder abgestempelt.

 

Nur vier Verhandlungstage genügten dem Landgericht mit dem vorsitzenden Richter Mahler, um mich zu verurteilen. Die vorliegenden Fakten reichten aus, um mich in einem Indizienprozess schuldig zu sprechen und mich zu lebenslänglich zu verurteilen.

Lebenslänglich! Lebenslänglich! Lebenslänglich,

hämmerte es in meinem Kopf. Lebenslänglich für eine Tat, die ich nicht begangen hatte.

 

 

 

 

2. Kapitel

 

Im Gefängnis

 

 

 

Noch am Tage der Urteilsverkündung wurde ich in ein Gefängnis für schwere Fälle eingeliefert. Ganz apathisch lies ich alles über mich ergehen. Fahrt, Registrierung, Einkleidung und Unterbringung in der Zelle, waren traumatische Ereignisse.

 

Nur langsam gewöhnte ich mich an meine neue Umgebung. Ich versuchte weitestgehend allein zu bleiben. Die Cliquenbildungen interessierten mich nicht, noch nicht. Deshalb hatte mich wohl auch einer dieser „Führer“ zu seinem Liebling auserkoren. Alle erdenklichen Gemeinheiten wurden an mir ausprobiert. Das fing mit dem Umstoßen des Teebechers beim Abendessen an. Glücklicherweise war der Becher halb leer und der Rest ergoss sich in den noch halb vollen Essteller. Ausnahmsweise gab es damals auch abends warmes Essen. Ohne Zögern und ohne Ärger zu zeigen aß ich den so bereicherten Tellerinhalt leer. Den Rempler und sein Auftraggeber spornten mein Verhalten erst recht an. Der Diebstahl von Handtuch oder Seife waren noch relativ harmlos. Ernst wurde die ganze Angelegenheit als jener Führer, „Schwule“ genannt, die Heimtücke verstärkte und diese auch am Arbeitsplatz nicht unterließ.  

 

Allmählich hatte ich bei dem einen oder anderen Wärter durch mein wiedergewonnenes ausgeglichenes Verhalten, durch meine Höflichkeit und durch meine Intelligenz Achtung erworben. Sie waren davon überzeugt, dass Hof kehren und Flure putzen unter meinem Niveau lagen und halfen mir in die Tischlerei zu kommen. Eine nicht mehr funktionstüchtige Drechselmaschine hatte meine Neugier geweckt. Mit Hilfe eines Wärters, der vorher als Werkzeugmacher tätig war, und auch in elektrischen Dingen Bescheid wusste, wurde die Drechseleinrichtung wieder benutzbar gemacht.

 

Und hier schloss sich der Kreis meines Dilemmas. Die Drechseleinrichtung war auf Befehl des Direktors unbrauchbar gemacht worden, weil vor Jahren sein einziges Töchterlein ihre Neugierde mit dem Leben bezahlte.

Sie war ein allerliebstes Mädchen mit goldenen Locken, tiefblauen Augen, einem Stupsnäschen und einem glockenhellen Lachen. Alle liebten es. Die Bediensteten wie die Insassen. Der Direktor konnte sie ohne Bedenken selbst dem größten Bösewicht anvertrauen. An ihrem Todestag, es war in der Adventszeit, trug sie, weil es kalt war, auch einen langen roten Schal. Sie marschierte durch die ganze Anstalt und kam dadurch auch zur Tischlerei. Alle arbeiteten emsig, um einen Auftrag für Weihnachtsartikel aus Holz rechtzeitig zu beenden. Zwischen Spannbacken und Körnerspitze war ein Rohling eingespannt. Es sollte der größte und schönste Kerzenhalter werden, der je gedrechselt wurde.

 

In ihrer unbekümmerten Art ging des Direktors Töchterlein ganz nah an das Werksstück heran und ließ das Ende ihres roten Schals von der Drehbewegung und dem Luftwirbel hoch schleudern. Weil es zu schön war, gab sie noch ein Stück des roten Schals zu, und das war zu viel. Der rote Schal wickelte sich blitzschnell um das Werkstück und strangulierte das Mädchen. Das fröhliche Spiel endete mit ihrem tragischen Tod. Der damalige Drechsler fühlte sich für das Unglück verantwortlich und  erhängte sich in seiner Arrestzelle.

 

Die Hilfsbereitschaft des Wärters war nicht freiwillig. „Schwule“ hatte ihn wegen anderer Dinge in der Hand und ihn gezwungen mir zu helfen. Jetzt hatte er mich gefangen, denn, würde ich nicht seinen Anordnungen folgen, würde er mich beim Direktor verpfeifen.

 

Zunächst blieb alles ruhig. Ich wurde vorrübergehend in keinster Weise belästigt. Es Bestand ohne Absprache ein Gentlemen Agreement.

 

„Schwule“ wollte der absolute Herrscher in der Anstalt werden. Da er mir dabei eine wesentliche Aufgabe zugeordnet hatte, musste er meiner habhaft werden. Er kannte zwischenzeitlich meine Lebensgeschichte und wusste, dass ich ein hervorragendes Zahlengedächtnis hatte. Er gedachte zunächst die Finanzhoheit zu erobern und glaubte, der Rest wäre ein Kinderspiel.

 

Um weiterhin keinen Schikanen ausgesetzt zu sein, machte ich gute Miene zum bösen Spiel und ließ mich für seine Sache einspannen.

 

Wenige Wochen nach meiner Zwangsweisen Rekrutierung in seine Clique wurde ich zum Direktor gerufen. Alles mögliche ging mir durch den Kopf. Gibt es neue Nachrichten in meinem Fall? Werde ich entlassen? Oder hat der Direktor Wind von meiner drechselei erhalten? Ich war ganz aufgeregt als ich vor dem Anstalt-Chef stand. Ein kleiner rundlicher Endvierziger mit einem freundlichen Gesichtsausdruck saß auf seinem ledernen Drehstuhl hinter dem Schreibtisch. Er bemerkte sicherlich meine Nervosität. Machte diesbezüglich jedoch keinerlei Bemerkung.

 

Katin, sagte er, sie haben bisher noch nie Besuch erhalten!

 

Ja!

 

Warum?

 

Sie kennen meine Geschichte Herr Direktor. Meine Frau hat sich scheiden lassen. Zwei Verwandte sind zwischenzeitlich verstorben. Ich erwähnte nicht, dass ich schuld an ihrem Tod war. Freunde und Bekannte kennen mich nicht mehr.

 

Sie weisen auch den Anstaltsgeistlichen zurück!

 

Kein Bedarf!

 

Gibt es Jemanden innerhalb der Anstalt mit dem Sie Kontakt haben?

 

Kein Bedarf!

 

Sie lesen sehr viel, berichtete  mir der Bedienstete, der für die Anstaltsbücherei zuständig ist.

 

So!

 

Und keine Romane, sondern Fachliteratur!

 

Ja!

Wollen Sie einen fachlichen Bildungsgrad erreichen?

 

Vielleicht!

 

Dem Anstaltsleiter blieb meine defensive Haltung nicht verborgen, dennoch wurde ich von ihm höflich verabschiedet, mit dem Hinweis ich könne jederzeit um ein Gespräch mit ihm nachsuchen.

 

Leicht irritiert ging ich aus seinem Büro. Da Essenszeit war ging ich ohne Umweg in die Kantine.

 

Plötzlich umringten mich vier Kerle, die Leibgarde von „Schwule“, und geleiteten mich an seinen Essenstisch. Mehr oder minder bereitwillig machten die Tischnachbarn für uns fünf Platz.

 

Wir waren eine Anstalt mit guten Tischsitten, dazu gehörte auch, dass die Speisen aufgetragen wurden, ich also nicht an die Essensausgabe – wie anderswo – gehen musste. „Schwule“ kam ohne Diplomatie zu seinem Problem. Seiner Grimasse nach war er dem Platzen nahe. Du warst beim „Alten?“

 

Ja!

 

Was wollte er von dir?

 

Nichts!

 

Lüg mich nicht an, schrie er unterdrückt, um nicht aufzufallen. Ich musste vorsichtig sein. Seine Grimasse verwandelte sich zu einer Fratze und seine Kumpane rückten dichter an mich heran. Trotz der etwas eingeengten Bewegungsfreiheit füllte ich bedächtig den vor mir stehenden Teller mit etwas Blumenkohlsuppe. Mit einem leicht verklärten Blick dachte ich an die Kochkünste von Angela, meiner ehemaligen Frau. Und das war für „Schwule“ und seine Helfershelfer zuviel. Sogleich spürte ich in der Rippengegend einen spitzen Gegenstand. Mit der Bemerkung „Suppe esse ich grundsätzlich immer ohne Messer“ konnte ich den Sturm im Wasserglas beenden.

 

Ich berichtete – unfreiwillig – über das vorausgegangene Gespräch, ohne die Option weiterer Gespräche zu erwähnen. Ich spürte, dass er mir nicht glaubte und wusste gleichzeitig,  dass mir schwere Zeiten bevorstanden.

 

„Schwule“ und seine Truppe konnten trotz aller Bemühungen nicht die angestrebte Machtfülle erreichen. Es bildeten sich quasi drei Blöcke, die das Sagen teilten. Allerdings hatte „Schwule“ durch einen geschickten Schachzug den Zigarettenhandel an sich gebracht und war damit in einem gewissen Vorteil gegenüber den anderen Blöcken. Ich hätte nie geglaubt, dass Zigarettenhandel so lukrativ sein kann. Als Nichtraucher hatte ich mir darüber nie Gedanken gemacht. Dies änderte sich, weil „Schwule“   mich zum Verwalter des Zigarettenhandels machte. Nicht ohne mir noch einmal zu verdeutlichen was mit mir passiert,  wenn er mich beim Schmu erwischen würde.

 

Zwei Richtungen musste ich beachten, einmal die von „Schwule“ organisierten Glimmstängel, ich erfuhr nie etwas über seine Quellen, und die von den Nichtrauchern, die angekauft wurden. Zu einem Problem wurde das Krämergeschäft, was die Leitung und Führung betrifft, nicht. Was sehr unangenehm war, war erstens die tägliche Abrechnung mit „Schwule“.   Die Folge war nämlich, „Schwule“ sah mich jeden Tag und versuchte mich auszufragen. Er war immer stinksauer. Er wollte stets etwas über seine Kontrahenten wissen. Die erschienen jedoch fast nie, weil sie ihre Lakaien sandten. Und zweitens meine durch Zurückhaltung aufgebaute Deckung bröselte. Zudem setzte „Schwule“ durch dass ich die Bücherei leitete. Der bisherige Inhaber dieses Postens schwor mir ewige Rache. Warum eigentlich mir und nicht „Schwule?“

 

Trotz meiner Hauptaufgabe „Krämer“ und der Nebenbeschäftigung „Bibliothekar“ blieb mir genügend Zeit mein Bücherstudium weiterzuführen. Ich wurde zum eifrigsten Leser meines Hauses.

 

„Schwule“ sah mit Wohlwollen auf den schwunghaften Zigarettenhandel und den daraus resultierenden Gewinn. Was ihm aber Missfiel war meine Verschwiegenheit gegenüber seiner unbeschreiblichen Neugierde. Allen Fragenbombardements konnte ich noch widerstehen.

 

Durch meine frühere Berufstätigkeit in der Finanzbrache und dem Umstand, dass ich alle juristischen Anstaltsbücher verschlungen hatte, sowie meiner Einstellung zu „Schwule“ verschaffte mir bei meinen Kunden so etwas wie Respekt. Ich nahm es als selbstverständlich hin, wenn ich zu Finanzfragen oder juristischen Problemen konsultiert wurde. Ich kann ohne weiteres sagen, ich avancierte in der Anstaltsrangliste auf den vierten Platz.

 

„Schwule“ bereitete dieser Umstand Sorge. Er malte sich aus, dass ich mit den anderen Blockführern gemeinsame Sache machen könnte, und ihn absägen würde. Er konnte sich noch nicht durchringen mich abzulösen, trotzdem einige seiner Vasallen ständig schürten.

 

Ich stellte einen Rückgang im Zigarettenhandel fest, ohne mir darauf einen Reim machen zu können. Einige Tage konnte ich „Schwule“ mit der Bemerkung hinhalten, es wären schon mehrfach Schwankungen beim Verkauf gewesen. Es ließ sich aber nicht mehr leugnen als der Handel erheblich einbrach. „Schwule“ machte mich verantwortlich dafür und stempelte mich zum Sündenbock. Dies war der Moment auf den die Geier gewartet hatten. Ich wurde abgelöst und zunächst nur isoliert.

 

Als sich auch bei meinem Nachfolger keine Besserung einstellte, sollten mich Strafmaßnahmen treffen, weil man mir absichtliche Fehler unterstellte, die auch jetzt noch Auswirkungen hätten. Ich musste wieder Zellengänge putzen und den Hof kehren. Meine Verbindungen waren doch schwächer als ich geglaubt hatte, und verlor gegen die Macht von „Schwule“

 

Er hatte, ohne dass ich es wusste, einen erheblichen Teil seiner Einnahmen in risikoreiche Aktien investiert und  musste nun die Zeche bezahlen. Die Verluste waren erheblich. Außerdem hatte er sich  mit viel Geld einen luxuriösen Lebenswandel zugelegt bis hin zum Aufenthalt leichter Mädchen in seiner Zelle.

 

Durch seine Spitzel erfuhr „Schwule“ von Sanktionen die der Direktor gegen ihn einleiten musste. Um diesen zuvorzukommen steckte er, bzw. offenbarte er dem Direktor seine Kenntnisse über meine frühere Drechseltätigkeit. Tatsächlich gelang es „Schwule“ – die Nachricht traf den Direktor an einem sehr wunden Punkt – das Hauptaugenmerk auf mich zu lenken. Ich wurde wieder in das Dienstzimmer gebracht und war überrascht wie verändert der Direktor gegenüber  meinem letzten Besuch war.

 

Mit gequälter Stimme und fahlem Gesichtsausdruck teilte er mir mit, wie sehr ich ihn enttäuscht hätte. Mit viel Wohlwollen habe er mein Verhalten in der Anstalt beobachtet und ein Gnadengesuch – obschon ich noch kein Jahr arrestiert war – eingereicht, weil er von meiner Unschuld überzeugt war. Jetzt jedoch käme ihm zu Ohren, dass ich mich in unverfrorener Weise über ein von ihm ausgesprochenes Verbot hinweggesetzt habe in dem ich die Todesmaschine wieder in Gang gesetzt und benutzt hatte. Er ergoss sich in Vorhaltungen und betonte dabei meine Undankbarkeit. Kurzum, ich hatte es bei ihm verschissen.

Die Vorwürfe noch in den Ohren wurde ich in den Innenhof zurückgeführt. Die ganze Sache berührte mich mehr als ich zugeben wollte. Unaufmerksamkeit war die Folge und so entging mir, dass „Schwule“ und seine Kumpane mich umringten. Sie drängten mich zum Sportbereich, der momentan einsam und verlassen war. „Schwule“ machte mir Vorhaltungen ich wäre, wie eine Memme, erneut zum Direktor gelaufen und hätte mich wohl ausgeweint. Meine Beteuerungen und Erklärungsversuche waren erfolglos.      

       

Die mündliche Auseinandersetzung eskalierte und artete in Handgreiflichkeiten aus, mit dem Bemühen keine äußeren Verletzungen herbeizuführen.  Mein Zurückweichen wurde durch einen liegen gebliebenen Ball abrupt in einen Sturz verwandelt. Ich schlug mit dem Kopf auf den Rand des Spielfeldes und wurde bewusstlos. Damit entging ich den wütenden Attacken von „Schwule“ und seinen Kumpanen.

 

 

 

 

3. Kapitel

 

Der Magnat

 

 

Eine längere Bewusstlosigkeit und die Unfallfolge (Contusio cerebri) verhalfen mir zu einer wohltuenden Ruhepause im Kreiskrankenhaus. Diese schöne Zeit endete viel zu schnell. Nach der Genesung wurde ich zunächst in das Krankenrevier der  Haftanstalt eingeliefert und dann wieder zurück in die Zelle gebracht.

 

In der Zwischenzeit war nichts wesentliches passiert. Bei der Machtverteilung zwischen den drei Blöcken hatte sich die Pattsituation verfestigt. Allerdings hatte der Block von „Schwule“ wider erwarten beim Handel mit Rauchwaren, also nicht nur Zigaretten, die Nase vorn. Das ermöglichte „Schwule“ seine finanzielle Schieflage so Poe a Poe wieder zurechtzurücken.

 

Ich war zwar längere Zeit aus dem Verkehr gezogen, meine Rechenkünste, die unverbindlichen juristischen Beratungen mein Geschick als Banker schwebten jedoch auch in dieser Zeit unaufhaltsam zwischen den Zellenblöcken hin und her. Nicht nur meinen „Leidensgenossen“, sondern auch den Wärtern gefiel der Gedanke durch meine wieder vorhandene Hilfe Vorteile zu erlangen.

 

Beim Aufsichtspersonal waren es pekuniäre Vorteile die manche von mir erwarteten, wenn ich konsultiert wurde. Von der neuen Klientel erwartete ich dagegen  Hilfe zu gegebener Zeit zu erhalten. Alles im Hinblick auf meinen weiteren Aufenthalt im „ehrenwerten“ Haus. Barg aber die riesige Gefahr, dass meine Kumpane neidisch wurden und auf Rache sannen.

 

Bei meinen Kunden gab es die unterschiedlichsten Typen auf die ich mich einstellen musste.

 

Nach dem altbekannten Motto  „eine Hand wäscht die andere“ nutzte ich den Kontakt zum Wachpersonal, um meine frühere Stelle als Chef der Bücherei wieder zu erlangen. Hier konnte ich dann nach Herzenslust stöbern und weil ich das Gefühl  nicht los wurde, es irgendwann zu brauchen, widmete ich mich auch dem Fachgebiet  Psychologie.

 

Ich erkannte meine Bücherei nicht wieder. Eine Gefängniskommission hatte es fertiggebracht vom Staat etwas Geld loszueisen, um die Räume der Bücherei gründlichst zu renovieren und neue Regale zu installieren. Die Regale stammten aus der Gefängnisschreinerei. Ein Wehrmutstropfen hatte das Ganze, es war noch viel Platz für zusätzliche  Bücher. Geld für weitere zu kaufen gab es allerdings nicht.

 

Kleine Geschäfte erhalten die Bindung, war meine Devise. Deshalb half ich nicht nur den Wärtern beim Ausfüllen der Einkommensteuerbelege u.ä., sondern auch dem einen oder anderen Insassen mit rechtlichen Auskünften zu persönlichen Dingen. Dabei lernte ich meine selbsterworbenen Rechtskenntnisse vermehrt anzuwenden und zu verfeinern.

 

Eines Tages konnte ich einem Zellennachbarn zu einem Riesenerfolg verhelfen. Erstens wurde sein Verfahren wieder aufgenommen und er wurde freigesprochen und zweitens legte ich den Grundstein zu einem Sieg im Rechtsstreit gegen seine ehemaligen Geschäftspartner, bei dem es um eine stattliche Summe ging. Leider posaunte mein ehemaliger Zellennachbar Details über meine Strategie aus und übertrieb nach Herzenslust bei der Entschädigungssumme.

 

Prompt gab es einen Run, weil viele angeblich in einer gleichgelagerten Situation seien. Ich hatte einen schweren Kampf bis die Sache ausgestanden war und verlor dabei meinen speziellen Freund „Schwule“ aus den Augen. Deshalb lief ich in eine noch größere Gefahr ohne es zunächst zu merken.

 

Alle meine jetzigen Vorteile akzeptierte der Direktor nur, weil die Kommission mehrfach die Bücherei besuchte, meine Sach- und Fachkenntnisse lobte, ebenso die Organisation und unsere neue Bücherei bewunderte, die sie auch als Aushängeschild für ihren Einsatz benutzte. Außerdem wollte die Kommission in anderen Anstalten ebensolche Möglichkeiten der Unterhaltung schaffen und uns als Vorbild präsentieren. Damit verbunden wären Kontakte mit anderen Gefängnisverwaltungen und  vielleicht auch Besuche vor Ort.

 

„Schwule“ roch den Braten, bevor er in der Röhre war. Besuche in anderen Gefängnissen bedeutete Freiheit, wenn auch nur kurzfristig, raus aus dem Laden hier. Vielleicht sogar gänzliche Freiheit nach einer gelungenen Flucht.

 

Ich war ehrlich nicht der Meinung, dass den Worten der Kommissionsmitglieder sobald Taten folgen würden. Denn es bedürfte einer enormen Überzeugungskraft um überhaupt den Gedanken an eine modern geführte Bücherei bei anderen Gefängnisverwaltungen erst einmal vorzustellen und dann alles Notwendige umzusetzen.

 

Wie erwartet, kam die Kommission bei anderen Anstalten mit ihren Vorstellungen nicht so richtig voran. Man holte mich ins Boot. Dennoch war es schwer und langwierig den Gedanken an eine neuzeitlich eingerichtete Bücherei zu zünden.

 

In der Zeit meiner Abwesenheit gelang es „Schwule“ zu meinem Vertreter zu avancieren. Vordergründig schien mehr die Kraft als andere positive Eigenschaften sein eigen zu sein, er hatte sich aber mit Energie und unbändigem Willen in die Aufgaben eines „Vizebibliothekars“ eingearbeitet. Insgeheim bewunderte ich seine Leistung.

 

Drei Jahre waren inzwischen vergangen. Der Gefängnisdirektor grollte mir noch immer. Zwangsläufig führten wir kein Gespräch mehr. Um so erstaunter war ich, als ein neuer Gefängniswärter mich ziemlich rüde zum Direktor führte.  Dort angekommen musste ich relativ lange im Vorzimmer ausharren. Ab und zu, so schien es mir, drangen Gesprächsfetzen durch die Doppeltür. Leider unverständlich. Meinen Platz konnte ich auch nicht verlassen, denn der Wärter ließ mich nicht aus den Augen. Wie gerne hätte ich den Lauscher an der Tür gespielt. Eine der Stimmen hatte nämlich einen lieblichen Klang.

 

Endlich wurde ich herein gebeten. Mit Erstaunen sah ich fünf Personen. War jedoch überzeugt während meiner Zwangswartezeit nur zwei Stimmen gehört zu haben.

 

Außer dem Direktor waren eine ältere Dame, ein offensichtlich resolutes Persönchen, deren Gesicht, wahrscheinlich durch das vorangegangene Wortgefecht, gerötet war, der Vorsitzende der Gefängniskommission und  -Potzblitz - Hauptkommissar Weschler, anwesend.

 

Der Vorsitzende der Kommission ergriff das Wort. Er stellte mir die Anwesenden vor, was ich als eine Wohltat empfand. Die ältere Dame war seine Frau. Armer Kerl dachte ich. Das resolute Persönchen war Frau Cosima, die Nichte der beiden Herrschaften und die Verlobte des Hauptkommissars. Bei dieser Offenbarung zog sich etwas mein Herz zusammen. Ich konnte es nicht leugnen, sie war mir mehr als sympathisch und wenn ich nicht ganz aus der Übung war und meine Erkenntnisse aus den psychologischen Fachbüchern berücksichtigte, konnte ich ohne Übertreibung behaupten, dass dem auch umgekehrt so war.

 

Seit ich „Außendienst“ leisten musste, hatte sich die Anstaltsblässe verzogen, mein Selbstbewusstsein gestärkt und mein Äußeres positiv geändert. Auch Hauptkommissar Weschler, der mich seit der Vernehmung und dem anschließenden Prozess nicht mehr gesehen hatte, war baff erstaunt. Keinen positiven Eindruck machte ich auf die ältere Dame. Zwischen uns lag eine eiskalte Distanz.

 

Nach der Vorstellung kam der Vorsitzende zum Kern der Sache. Seine Nichte, eine professionelle Bibliothekarin, erfuhr über ihn von unserer Anstaltsbücherei, meinem Fleiß und Eifer und den noch reichlich leeren Regalen. Lange Zeit ginge sie mit dem Gedanken schwanger helfend einzugreifen. Alle, vom Direktor bis zu ihrem Verlobten waren dagegen und rieten ihr ab. Zuletzt noch einmal der Direktor, deshalb der hitzige Disput, dessen Lautstärke ich teilweise mitbekam.

 

Endlich erfuhr ich von ihrer Idee. Die Gefängnisbüchereien sollten mit ihrem jeweiligen Buchbestand eine Art Ringtausch einführen, so dass das Angebot der Bücher wuchs. Damit könnten auch mehr Leser gewonnen werden. Es tat mir leid, aber ich musste sie enttäuschen. Bei meinen Besuchen der Büchereien in den anderen Gefängnissen hatte ich, selbst überrascht, festgestellt, dass beinahe überall die gleichen Bücher vorhanden waren und sich dadurch ein Ringtausch erübrigte.

 

Der Direktor  schaltete sich ein und erklärte, dass vor Jahren ein Verwaltungsbeamter aus Bequemlichkeit für viele Anstalten die gleichen Bücher beschaffte. Schade für die gute Idee Frau Cosima! Wieso schade, warf ich ein. Es gilt doch nur andere Partner zu finden wie zum Beispiel die Stadtbücherei?

 

Nach zeitraubenden Verhandlungen war es dann endlich soweit, die Stadtbücherei übernahm eine Art Patenschaft. Dadurch wurde unser Leseangebot umfangreicher und auch interessanter. Die Ausleihen erhöhten sich um beinahe 50% mit steigender Tendenz.

 

Wegen der von der Stadtbücherei überlassenen zahlreichen Bücher und der vielen Ausleihvorgänge bei uns, war eine manuell geführte Übersicht kaum mehr zu bewältigen. In einem Gespräch mit dem Direktor,  der Kommission und Frau Cosima über die Anschaffung eines Personalcomputers zum ordnungsgemäßen und reibungslosen führen einer Datei für die Verwaltung der Bücher war nur eine Übereinkunft zu erzielen, und zwar darüber nachzudenken einen gebrauchten PC anzuschaffen. Dies war soviel wie eine Ablehnung.

 

Freudig überrascht war ich dann als Frau Cosima einen Monat später mit einem gebrauchten PC auftauchte. Leider hatte ich nur den für meinen Beruf erforderlichen EDV-Kenntnisstand und der war reichlich betagt.

 

„Schwule“, der mein Gesicht sah nutzte die Gelegenheit und schaffte zwei einsitzende Hacker, die mussten aber mehr auf dem Kerbholz haben, dachte ich bei mir, sonst wären die doch nicht hier drinnen, herbei! Sie erhielten über Frau Cosima alle notwendigen Mittel um ein perfektes Programm zu erstellen. Die Testphase lief hervorragend. Wir konnten künftig alle Leihbücher per EDV erfassen, verwalten und ausleihen. Der Aufbau der Datei war umfangreich mit ein paar Besonderheiten, konnte aber Dank der beiden Hacker rasch erledigt werden. Nicht verborgen blieb mir bei all den Arbeiten wie die beiden versuchten heimliche Blicke zu tauschen und auch Zeichen zu geben. Ich versuchte dahinter zu steigen, erfolglos.

 

„Schwule“ gelang es  beide in die Arbeit der Bücherei einzubinden, zumal das Ausleihen der Bücher einer ungeahnten Erfolgsquote zustrebte. Mir wurde es unheimlich, deshalb hielt ich verstärkt Augen und Ohren offen. Zunächst jedoch vergebens. Der erhöhte Bücherbedarf führte dazu, dass ich die Stadtbücherei immer öfter aufsuchte und um neue Bücher bat. Auch Frau Cosima, die ich dabei immer häufiger sah, staunte über den Lesehunger der Insassen. Deshalb hatte ich auch ein sehr langes Gespräch mit ihr. Wir stellten unter anderem fest, dass die Gründe wohl die Bücher seien, aber nicht deren Inhalt. Weiter beobachten hieß die Devise.

 

Um die neue „Freizeit“ die ich durch unsere Gehilfen erhielt sinnvoll zu nutzen, lernte ich das Programmieren. Der Dschungel lichtete sich allmählich. Mit Hilfe des von den Hackern entwickelten Programms gelang es mir  dann doch irgendwann den Durchblick zu schaffen.

 

Per Zufall kam ich hinter das Geheimnis der Bücherausleihwut. Schon am Anfang war mir aufgefallen, dass die beiden Hacker  eine fünfstellige konstante Zahl, als Ordnungsmerkmal benützten und noch mal eine variable Zahl bis zu fünf Stellen. Die wurde bei der Ausgabe manuell mit Bleistift eingetragen und bei Rückgabe des Buches wieder ausradiert.

 

Sie hatten mehrere Wettprogramme gestrickt. Geschickt haben sie Wetten aller Art (Pferde und Hunderennen, Fußball etc.) angenommen. Wie aber bekamen sie das Hintergrundwissen über Renntermine, Pferde, Hunde usw.? Und wie ermittelten sie Gewinnchancen?

 

Ich teilte Frau Cosima beim nächsten Treffen meine Erkenntnisse mit. Als sie hörte, dass es um Wetten ging konnte sie mir weiterhelfen. Sie hatte nämlich beobachtet, dass ein Teil der Bücher in Zeitungspapier eingepackt wurde. Bei einer heimlichen Kontrolle stellten wir fest, dass es Zeitungen waren,  mit allen erdenklichen Informationen für Wetten aller Art. Uns war klar, „Schwule“ hatte  mindestens einen externen Mitarbeiter. Ich bat Frau Cosima ihren Verlobten, den Hauptkommissar Weschler, nicht zu informieren und auch keine andere Person.  

 

Mit Hilfe der Wettprogramme hatten die Hacker eine 35%ige Gewinnchance erarbeitet. Der Teufel ritt mich als ich „Schwule“ mit meinem Wissen konfrontierte und ihm klar machte, nur wenn ich Partner werde, halte ich dicht. Mit meinen zwischenzeitlich angeeigneten Fähigkeiten verfeinerten wir das Programm auf nahezu 50% Gewinnchancen. Unser System hatte einen Lauf. Wir scheffelten enorm viel Geld, weil wir bei jedem Gewinn mit 50% partizipierten, und selbst auch mitspielten.

 

Die erste Ziffer zeigte die Art der Wette an. Die zweite  den per Programm ermittelten Sieger. Bei Pferde - und Hunderennen wurde auch auf den Einlauf gewettet. Deshalb zusätzlich die Ziffern drei und vier. Die fünfte Ziffer war frei, falls der Wetter einen eigenen Vorschlag machte. Bei Fußball, Boxen oder so wurde nur ein Einzelspiel, bzw.  der aktuellste Boxkampf herangezogen.  Wurden Zwischenziffern nicht benötigt erhielten sie ein X.

 

Die meisten Insassen konnten ihre Gewinne über Angehörige, Familien oder Freunde kassieren. „Schwule“ und ich wollten dies, bzw. konnten dies nicht, weil wir beide angeblich keine Vertrauensperson hatten. Von „Schwule“ erfuhr ich, dass sein Informant auch sein Geldbote war, der auf sehr raffinierte Art und Weise das erwettete Geld unauffällig bei Banken und Sparkassen unter mehreren Decknamen einzahlte. Ich erklärte „Schwule“, dass ich das erwettete Geld nicht behalten wollte. Meinen Plan behielt ich jedoch für mich.

 

Frau Cosima sah es mir an, dass ich etwas schwerwiegendes auf dem Herzen hatte. Durch unsere vielfachen Kontakte entstand ein Vertrauensverhältnis, das mir erlaubte ihr alles zu erzählen. Meine Beteiligung am Anstaltswettbüro und meinen Plan. Ich wollte meinen finanziellen Anteil benutzen, um bei andern Gefängnissen den Bücherstandard zu verbessern. Ich warf alle ihre Bedenken über Bord und überredete sie meine Mittelsfrau zu sein. Nur mit Widerstreben willigte sie ein. Spontan nahm ich sie in die Arme. Spürte ihren Körper, der nur eine geringe Ablehnung signalisierte und küsste sie, wohl eine Idee zu lang, auf ihren verführerischen Mund. Eine halbherzige Ohrfeige war die Folge. Mit einem   liebevollen Lächeln, aber ohne ein Wort, ging ich von ihr.

 

Mein Anteil war nicht so üppig, weshalb es doch einige Zeit dauerte bis eine respektable Summe zusammenkommen würde. Deshalb weihte ich „Schwule“ in meinen Plan ein. Er tobte heftigst. Den Wärtern fiel dies auf. Wir hatten unsere liebe Not eine annehmbare Erklärung abzugeben. Wir, das heißt ich wurde wieder einmal „kalt gestellt“. Ich musste meine Arbeit in der Bücherei einstellen.

 

„Schwule“ wurde noch vorsichtiger und gleichzeitig erfolgreicher. Meine Idee mit dem Bücherkauf für andere Anstalten hatte sich bei ihm festgesetzt. Er ließ Frau Cosima eine erstaunlich hohe Summe zukommen und die Aufforderung Bücher für die anderen Anstalten zu kaufen. Falls der Betrag nicht reichen würde könnte er „nachschießen“. Der Magnat „Schwule“ hatte ganz eigene Planungen.

 

Frau Cosima glaubte für mich etwas gutes zu erreichen, wenn sie ihrem Verlobten Hauptkommissar Weschler alles erzählte. Er war schon von dem Gefängnisdirektor über einige Sonderheiten (z.b. unverständliche Jubelschreie) in der Anstalt informiert worden. Mit der Offenbarung seiner Verlobten konnte er das Puzzle fertig stellen. Eigentliche Straftat war nur das verbotene Wettspiel. Dieser Tatbestand müsste jedoch von der Kommission und dem Gefängnisdirektor eingestellt und geahndet werden. Seiner Verlobten machte er umfangreiche Vorwürfe über ihren leichtsinnigen Umgang mit mir.

 

Der Gefängnisdirektor, die Kommission und auch der Hauptkommissar Weschler berieten im Fall „Wettbüro“. Alle wollten die sofortige Auflösung, streichen von Vergünstigungen und verschärften Arrest. Nur der Hauptkommissar war dagegen. Er begründete dies mit seiner „Nase“. Der Polizeiapparat war nicht in der Lage gewesen weder die Helfer ausfindig zu machen noch die fetten Konten von „Schwule“ zu enttarnen. Weschler wollte deshalb, dass alle so taten als wären sie einer Verleumdung durch Rivalen des „Schwulen“ und mir aufgesessen und alles sei wieder gut.

 

Unsere Bücherei wurde wie gehabt besetzt, d.h. ich war wieder im Spiel. „Schwule“ war bedeutend schlauer als ich bisher annehmen musste und er hatte mehrere heimliche Kontakte nach draußen. Denn er erhielt weiterhin Informationen über Wetten aller Art. Aber nicht mehr auf dem früheren Wege. Fragen nach den neuen Wegen ignorierte er völlig. Mir gegenüber war er besonders vorsichtig. Die Stimmung war im Eimer. Ich wollte schon aufgeben und um Versetzung in die Schreinerei bitten, da kam eine neue Variante ins Spiel.

 

Der Kontakt zur Stadtbücherei war gestört. Der Austausch lief nicht mehr so rund.  Auch hatten wir durch unseren „Fleiß“ beinahe alle Bestände durch. In diese Stockung kam die Nachricht, dass andere Anstalten den Ringtausch von Büchern mit uns praktizieren wollten. Ich war nicht mehr so Feuer und Flamme wie früher. „Schwule“ aber war ganz elektrisiert. Darauf hatte er hingearbeitet und geduldig gewartet.

 

Die Vorbereitungen waren doch aufwendiger und schwieriger, weil nicht alle Anstalten mangels entsprechender EDV-Einrichtungen eine Datei führen konnten wie wir sie hatten. Die einzige Anstalt die eine ähnlich moderne Ausstattung aufwies lag am Rhein. Also, relativ weit entfernt von uns, denn wir waren ganz im Westen der Republik untergebracht. Später erfuhr ich, dass „Schwule“ hinter der modernen Ausstattung steckte. Dennoch wollte ich zunächst mit den im näheren Umkreis gelegenen Anstalten den Tausch einfädeln. Wieder verstand es „Schwule“ seine Version glänzend zu unterbreiten. Der Rest resignierte und stimmte zu.

 

Der Tag X stand bevor. Die zum Tausch ausgesuchten Bücher waren in Kisten verpackt. Wir trugen sie eigenhändig zum Transporter. „Schwule“ und ich waren beauftragt mitzufahren. Außerdem saßen zwei Wärter bei uns und einer neben dem Fahrer. Wir hatten kein Begleitfahrzeug. Mir schien jedoch, als ob Hauptkommissar Weschler und sein Adjutant Kommissar Neuner mit Abstand folgten.

 

Die Fahrt ging auf der Bundesstraße 50 entlang. Zuerst durch die Eifel. Ich freute mich riesig den einen oder anderen Flecken zu erkennen, den ich schon mit meiner Frau Angela bereist hatte. In meine beschauliche Stimmung hinein gab es plötzlich Verkehrsprobleme. Vor uns fuhr ein 30Tonner, der immer langsamer wurde. Und der Lkw hinter uns kam immer näher. Der Zusammenstoß war unausweichlich. „Schwule“ und ich saßen an der Trennwand zum Fahrerhaus.  Mit Präzision erster Klasse wurde unser Transporter so gequetscht, dass Führerhaus und Ende des Fahrzeuges nicht mehr zu erkennen waren. Fahrer und Wächter waren sofort tot. Wir überlebten mit leichten Blessuren, weil das Fahrzeug präpariert war, wie mir „Schwule“ mit einem breiten Grinsen mitteilte. Er angelte sich die beiden Waffen und wartete sehr ungeduldig bis uns seine Kumpane per Trennschneider befreiten. Diese informierten ihn über die Deckung durch den Hauptkommissar Weschler und dessen Gehilfe. Eine enorme Wut ergriff ihn, weil er glaubte es sei meine Schuld. Er schlug mit dem Lauf einer Waffe gegen meine Schläfe, ich ging k.o.

 

Als ich wieder aufwachte hatte ich eine der Pistolen in der rechten Hand. Sofort warf ich sie hinter mich in das Maisfeld. Warum er sie mir in die Hand gedrückt hatte, mit leergeschossenem Magazin übrigens, erzählte er mir später.

 

Alles war minutiös geplant und deshalb so schnell über die Bühne gegangen. Einziger nicht kalkulierter Faktor war die Deckung durch den Hauptkommissar. Die dadurch verlorene Zeit musste eingeholt werden. Ich wurde mitgerissen in den kurz nach der Unfallstelle beginnenden Wald. Jetzt erst sah ich ein Wohnmobil das dort gut gedeckt versteckt war. Die Helfer bestiegen von der Tarnung freigelegte Enduro`s und verschwanden in verschiedene Richtungen wie der Blitz. „Schwule“ und ich bestiegen das Wohnmobil. Und los ging die Fahrt. Ich hatte gar nicht erkannt, dass das Fahrerhaus besetzt war.

 

Während der Fahrt entledigte „Schwule“ sich seiner Anstaltskleidung, mir blieb auch nichts anderes übrig, nach seinen Äußerungen. Mit etwas Schminke und weiteren Hilfsmitteln verwandelte er sich in den Sohn eines ehemals bekannten holländischen Schwergewichtsjudoka. Mich konnte man nach einer ähnlichen Kur als intellektuellen Bruder des bekannten Entertainers Andree Rieu ansehen.

 

Um eventuelle Zeugenaussagen zu entkräften wurden nach einigen Kilometern die Nummerschilder gewechselt, in niederländische und die Dekorstreifen entfernt. Die Anstaltskleidung wurde im Wald vergraben. Weiter ging die Fahrt eines jetzt holländischen Wohnmobils auf möglichst ruhigen Nebenstraßen.

 

Nach mehrstündiger Fahrt wurde am Main gestoppt und das Abendbrot eingenommen Mir knurrte der Magen. Hier verließ uns das Fahrerduo. „Schwule“ gab mir keine Gelegenheit die beiden Fahrzeuglenker genauer zu sehen oder gar kennen zu lernen. Ich sollte keinen seiner Helfer näher sehen, um sie eventuell später an irgendeinem Detail zu erkennen. Denn ich ging davon aus, dass alle mehr oder minder, Veränderungen, sprich Maskerade vorgenommen hatten.

 

Er übergab mir einen holländischen Pass und Führerschein, eine Geldbörse mit einigen Euros darin. Ebenso eine Brieftasche mit Bildern meiner „Familie“. Meine Fragen beantwortete er mit einem undeutlichen „Wenn kontrolliert“ würde.

 

Im Zickzackkurs näherten wir uns der ehemaligen Zonengrenze. Wir waren zwischenzeitlich über den Weiswurscht-Äquator   Richtung Hof/Bayern gefahren. Er bog ab in Richtung Suhl/Thüringen.  Auf einem Waldparkplatz parkte er das Fahrzeug und mir passierte was schon zweimal erfolgte. Ich musste zwischen Doppelbett und Außenwand kriechen und er kettete mich mit den Handschellen an, verklebte mir den Mund und   deckte mich mit der Bettdecke zu.

 

Es schmerzte in den Ohren der Umstehenden als im Gefängnis die Alarmglocken schrillten. Schnell hatte sich die Ursache für diesen Lärm herumgesprochen. „Schwule“ und Katin waren ausgebrochen. Vier Wärter tot, ebenso Hauptkommissar Weschler. Sein Adjutant war schwer verletzt. Sicherheitskräfte des Gefängnisses wurden ausgesandt. Im Gefängnis galt Sicherheitsstufe vier.  Die Insassen mussten alle schleunigst in ihre Zellen.

 

Auch im Polizeipräsidium quirlte es. Alle verfügbaren Kräfte wurden mobilisiert. Das MEK umgehend verständigt. Ebenso die Hubschrauberstaffel. Der Polizeipräsident war ohnmächtig vor Wut, weil der Einsatz von Hauptkommissar Weschler bei dem Gefangenentransport von ihm nicht genehmigt war. Die Presse war natürlich sofort mit von der Partie.

 

Der Unfallort war günstig gewählt. Die nächsten Ortschaften waren schon einige Kilometer entfernt. Die Straße war nur zweispurig. Dennoch gelang es anderen Verkehrsteilnehmern über Handy, die örtliche Polizei zu rufen und ärztliche Hilfe zu mobilisieren. Den inzwischen aufgestauten Verkehr und die aufgelaufenen Gaffer konnten Polizei und Rotes Kreuz relativ gut über Feldwege umgehen und alsbald am Unfallgeschehen eintreffen.

 

Hilfe war allerdings keine mehr zu bringen mit Ausnahme bei Kommissar Neuner. Hier war jedoch der Spezialhelikopter der nächsten Universitätsklinik erforderlich. Dieser war bereits alarmiert und im Anflug.

 

Eine vermeintlich sofort eingeleitete Ringfahndung – man konnte nicht sofort die Flucht von zwei Gefangen erkennen – war ohne Erfolg. Die wenigen Zeugen konnten in dem Tumult nicht schnell genug geortet werden. All dies kostete wertvolle Zeit und führte deshalb zu keinem Erfolg. Die Fahndung nach einem vage beschriebenen Reisemobil war auch ergebnislos. Die Täuschung war auf der ganzen Linie geglückt.

 

Dass die zwei Lkw-Fahrer nach dem Unfall auf zwei Geländemotorrädern flüchteten, ergab sich erst bei der Spurenauswertung. Langsam wurde das Bild für die ermittelnden Polizisten immer klarer. Sie erkannten, dass dies kein  gewöhnlicher Unfall war, sondern absichtlich herbeigeführt wurde, um die Gefangenen zu befreien.  Auch hier war es die Spurensicherung, die aufgrund zahlreicher Untersuchungen die Veränderungen an allen Fahrzeugen ermittelte und so die letzten Zweifel eines Zufalles entkräfteten.

 

Bei der nach langer Suche im Feld gefundenen Dienstpistole wurde sofort festgestellt, dass mit ihr geschossen wurde. Vermutlich um die beiden Kommissare zu töten. Die Laboruntersuchungen bestätigten den Anfangsverdacht. Auch die aus den Körpern der beiden Polizisten entnommenen Kugeln passten zu der Waffe. Die zweite Waffe blieb verschwunden.

 

Die Bevölkerung wurde über Rundfunk vor den Ausbrechern gewarnt. Mit dem Hinweis auf die Gefährlichkeit und Bewaffnung wurde immer wieder darauf hingewiesen  keine Anhalter mitzunehmen.

 

Keine Spur weit und breit. Also blieb nur noch der Polizeiapparat. Und der lief wie am Schnürchen. Das bisherige Leben der beiden Ausbrecher wurde akribisch unter die Lupe genommen. Bei beiden war jedoch nicht viel zu holen. Bei Katin nur die geschiedene Ehefrau. Bei „Schwule“ nur ein Bruder, der sich irgendwo in Russland  aufhält.

 

Ehemalige Nachbarn, Arbeitskollegen, Schüler und Lehrer wurden befragt. Jedoch ohne brauchbaren Hinweis. Beide schienen keinen Außenstehenden zu haben bei dem sich beide oder einzeln verstecken konnten. Die geschiedene Ehefrau wurde dennoch  rund um die Uhr observiert.

 

Ein trauriger Tag für Frau Cosima. Der Gefängnisdirektor hatte darum gebeten ihr den Vorfall und zwangsläufig den Tod ihres Verlobten mitzuteilen. Nur ein leichtes Beben ging durch ihren Körper. Sie konnte nicht weinen. Viel zu sehr traf sie die Tatsache, dass Katin ihren Verlobten erschossen haben soll. Schließlich waren es seine Fingerabdrücke die auf der Mordwaffe gefunden worden waren.

 

Die beiden im Gefängnis einsitzenden Hacker, die zuletzt sehr viel mit den beiden Ausbrechern zu tun hatten, wurden stundenlang verhört. Weder Drohungen noch das Angebot ihren Gefängnisaufenthalt eventuell zu verkürzen konnte ihnen keine positive Antwort entlocken. Sie wussten einfach nichts. „Schwule“ hatte sie, und natürlich auch keinen anderen, mich eingeschlossen,  in seine  Pläne eingeweiht.

 

Es zeigte sich keine Spur der beiden, nun als

akute Gewaltverbrecher eingestuften, Ausbrecher.

 

Ich sah nicht seine Verkleidung als Wanderer. Alles um mich herum war dunkel und ruhig. So lag ich einige Stunden, bis er wieder kam. Was ging mir in dieser Zeit nicht alles durch den Kopf. Angefangen von meiner Heirat, meinem beruflichen Werdegang, meinem Abstieg durch meine sozialen Träume, Gefängnisaufenthalt und Scheidung. Aber erst recht die jüngsten Ereignisse mit mehreren Toten, der tagelangen Flucht, den Entbehrungen und der Ungewissheit für die Zukunft. Die malte ich mir überhaupt nicht rosig aus. Ich war überzeugt, dass mir „Schwule“ ebenfalls eine Kugel, eine Pistole hatte er ja noch, verpassen würde. Wo und wann würde es passieren. Warum hatte er mich überhaupt soweit mitgeschleppt?

 

In meine Gedanken hinein kam „Schwule“ zurück. Ich wurde befreit und bekam ebenfalls das Aussehen eines harmlosen Wanderers. Ohne  ein Wort der Erklärung wohin es geht, stapfte er los und stieß mich vor sich her. Es ging über Stock und Stein. Selten ein Wanderweg. Ich bestaunte seinen Orientierungssinn. Ohne anzuhalten ging es immer vorwärts. Ziel war eine ungefähr 20 Km entfernte Jagdhütte.

 

Die Jagdhütte war kein verwunschenes Schloss. Aber sie war zweckdienlich. Alles sauber, habe es erkundet. Aha deshalb seine Abwesenheit. In der Jagdhütte waren zwei Schlafstellen, Kochstelle und Sitzgelegenheit. Toiletteneinrichtung, Bad oder Dusche fehlten. Da war das Wohnmobil im Vergleich ein Schatzkästlein. Er müsse noch einmal weg. Wenn er zurück sei ginge es zu Fuß weiter.

 

Wieder folgte die Prozedur der Fesselung und Knebelung. Er wollte absolut sicher sein, dass ich noch  hier bin, wenn er wieder kommt.

 

            Es waren zwei qualvolle Tage bis „Schwule“ wieder zurückkam. Anfangs konnte ich noch mal die Gedanken aufnehmen und um Frau Cosima erweitern. Ich konnte mir verschiedenes zusammenreimen und befürchtete das Schlimmste für die beiden Kommissare, denn ich hatte alle neun Schüsse klar und deutlich gehört. Hunger und Durst vertrieben jeden weiteren klaren Gedanken und ich fing alsbald an, trotz meiner Zwangslage, in einem unklaren Zustand dahinzudämmern.

 

            Ich bekam das Lösen der Fesseln zwar im Unterbewusstsein mit, aber einen klaren Gedanken konnte ich nicht fassen. Zuerst gab es behutsam zu Trinken, immer in kleinen Schlucken, dann etwas zu essen. Allmählich kam ich aus meinem Dämmerzustand zurück und nahm wieder alles um mich wahr. Er wollte keineswegs so lange weg bleiben. Musste allerdings auf seiner Tour soviel Sorgfalt walten lassen, dass er zwei statt nur einem Tag unterwegs war. „Schwule“ hatte zwei riesige Wanderrucksäcke dabei. Für sich auch ein sehr großes Jagdmesser und ein zerlegbares Präzisionsgewehr, wie ich erst später erkannte.

 

            Auf meine Frage woher er die Jagdhütte so gut kenne, erfuhr ich erstmals ein wenig über ihn und seine Familie. Sein älterer Bruder habe vor Jahren die Hütte erworben und ausgebaut. Sein Bruder habe als Major verschiedene Privilegien genossen, so auch diese Hütte und ein kleines Jagdrevier. Er habe sich öfters hier mit seinem Bruder getroffen und von dessen Fähigkeiten des Umgangs mit der Natur profitiert.  Auch Schießübungen seien an der Tagesordnung gewesen. Aufgrund dieser Mitteilung war mir sein zielsicheres Laufen klar. Über sein weiteres Vorgehen, sagte  er nur, sobald ich wieder bei Kräften bin, ginge es weiter.

 

Ich hatte viel Gelegenheit mich in der Jagdhütte umzublicken. Auffällig war der Kamin, insbesondere jedoch der übergroße  Aschekasten. Bei einem Kamin, der mit Holz befeuert wird, ist ein Aschekasten nicht erforderlich, erst recht nicht ein solch  großer. Geschickt gemacht war ja das ganze. Unterhalb des Feuerraumes war ein Fach für die Holzlagerung. Der Aschekasten war dadurch normalerweise verdeckt. „Schwule“ hatte für mich, obwohl es seiner Vorsicht nach nicht hätte sein dürfen, ein Feuer entzündet, damit auch etwas warmes Essen bereitet werden konnte, um damit eine schnellere Genesung zu erreichen. Er nahm etwas Holz aus dem Fach und deshalb konnte ich den Aschekasten sehen. „Schwule“ sah mein Staunen und folgte meinem Blick. Sagte aber nichts.

 

Meine Genesung machte Fortschritte. Unserem Weitermarsch stand nichts mehr im Wege. „Schwule“ ließ mich Einblick in das Geheimnis „Aschekasten“ nehmen. Er zog den Kasten heraus, nachdem er das störende Holz ganz beiseite geräumt hatte. Er war voll Holzasche, was mich zunächst verblüffte. „Schwule“ kippte sie in den Feuerraum, schlug den Aschekasten leicht von allen Seiten gegen den Kamin, holte aus einer Ecke der Hütte ein Gewicht mit einem verkappten Magneten und hob eine dünne Eisenplatte aus dem Aschekasten. Darunter lag ein Fehlboden in dem verschiedene Päckchen in Alufolie eingewickelt deponiert waren. Er gab mir das dünnere und forderte mich auf es aufzuwickeln. Zum Vorschein kam ein astreiner Personalausweis, Führerschein, eine Geldbörse und eine Brieftasche, jeweils mit Inhalt. Das kannte ich doch. Mit den Unterlagen mutierte ich wieder zu einem Deutschen, und zwar zu einem echten „Pfälzer“. Die Dokumente hätten ehrlicher nicht sein können. Dem Zufall war hier scheinbar nichts überlassen. Unsere holländische Maskerade hatten wir schon seit Eintreffen in der Jagdhütte abgelegt. Die holländischen Papiere wurden nicht in dem Aschekasten gelagert, sondern in die Folie eingewickelt und abseits der Hütte vergraben. Auch hier wurde äußerste Vorsicht gepflegt. Auf die Folie kam ein mit Säure begossener Lappen, damit sich mit der Zeit alles ins Nichts auflöste.

 

            Das Innere und Äußere der Hütte wurde nochmals gründlich überprüft und los ging unsere Reise. Für mich ins Ungewisse. Mal marschierten, mal benutzen wir Güterzüge. Immer bedacht niemandem zu begegnen. Zu Zeiten der DDR waren noch viel mehr Güterzüge unterwegs und somit ein geregelteres Fortkommen möglich als heute, hörte ich „Schwule“ mal brummen. Ich konnte nur feststellen, dass unsere Hauptrichtung der Osten war.

 

In unseren großen Wanderrucksäcken war hauptsächlich kalte Verpflegung. Ein Feuer wollte „Schwule“ nie anzünden.

 

            Wir kamen unserem Ziel immer näher. Ob es Frankfurt/Oder sei, habe ich mal gefragt und bekam ein zustimmendes Kopfnicken. Aus gutem Grund wurde deshalb nur noch gewandert.

 

            Das Wandern fiel mir immer schwerer. Ich blieb immer größere Stücke hinter „Schwule“ zurück. Stolperte, knickte links ein und hatte auch mal den einen oder anderen Sturz. „Schwule“ hatte eine genaue Einteilung beim Marschieren. Zwei Stunden laufen, eine halbe ruhen. Nur mittags wurden zwei Stunden geruht. Anfangs holte ich „Schwule“ in den Pausen ein. Spätestens in der Mittagspause. Einmal erst abends. Er glaubte ich sei nichts gewöhnt, hätte keine Ausdauer, wäre nicht zäh genug für dieses Abenteuer. Da erzählte ich ihm von meinen Schwierigkeiten. Er sah mich mit großen Augen an. Irgendeine Wandlung seiner Einstellung  muss inzwischen bei ihm vorgegangen sein. Er war nicht mehr so streng und zeigte ein gewisses Verständnis. Bei meiner Frau fing es auch so an, meinte er. Sie stürzte beim Laufen auf ebener Fläche. Keiner konnte sich einen Reim darauf machen. Auch die Ärzte nicht. Es dauerte neun lange Monate bis medizinisch festgestellt wurde, Multiple Sklerose liege vor. Aber bei mir sei das bestimmt nicht so.

 

            Er blieb von nun an in meiner Nähe und half mir manchmal. In der Ebene hatte ich keine großen Probleme. Ernst wurde es bergauf und beim Stufen gehen. Wir haben es beinahe geschafft. „Schwule“ musste nach seinen Worten  allerdings erst mal auskundschaften. Entgegen früherer Gepflogenheiten blieb ich vollkommen frei.

 

            Es wurde mir langweilig. Ich suchte einen Aussichtspunkt um vielleicht die Umgebung besser zu überblicken.  Mit viel Mühe und Kraftaufwand gelang ich auf einen großen Felsbrocken. Mucksmäuschenstill war es um mich herum. Da plötzlich ein kackendes Geräusch, ich erschrak und fuhr herum. Versuchte herumzufahren, denn ich verlor das Gleichgewicht, stürzte nicht nur vom Felsblock, sondern auch noch einen Abhang hinunter. Mir tat alles weh, am meisten das rechte Bein. So lag ich bis zur Dunkelheit. „Schwules“ Fähigkeiten hatte ich es zu verdanken, dass er mich in dunkler Nacht fand. Mit meinem Bein das sah keinesfalls gut aus. „Schwule“ schiente das Bein und besorgte mir eine Astgabel als Gehhilfe.

 

            In dieser Nacht erfuhr ich vieles. Er hieß tatsächlich Schwule, es wahr also nicht nur sein Spitzname wie ich angenommen hatte. Er war jung verheiratet als seine Frau erkrankte. Er war ohne Job und versuchte seinen Lebensunterhalt auf illegale Weise zu bestreiten. Dabei wurde er erwischt und bekam eine mehrmonatige Strafe aufgebrummt. Während des Gefängnisaufenthaltes erlitt seine Frau einen Schub nach dem anderen. Sie war bald nicht mehr in der Lage sich allein zu versorgen. Es kam noch schlimmer sie wurde zum Pflegefall. In dieser Situation brach er aus dem Gefängnis aus, um bei seiner Frau zu sein. Als Versteck diente ihm eine ehemalige VEB-Werkstatt. Seine Frau bat ihn inständig ihr Leben zu beenden. Sie zerfiel immer mehr. Schweren Herzens leistete er Sterbehilfe. Er meldete sich beim nächsten Polizeiposten und ließ sich widerstandslos festnehmen.

           

            Nur unter starker Bewachung durfte er seine junge Frau auf ihrem letzten Weg begleiten. Sofort kam er wieder ins Gefängnis. Der Prozess wurde einseitig geführt. Er zeigte aber auch gar kein Interesse seine Motive offen zu äußern. Die Strafe fiel deshalb ziemlich drastisch aus. Ihm war alles egal, er hatte nur die Bitte in einem weit entfernt liegenden Gefängnis untergebracht zu werden. Dort habe ich ihn kennen gelernt. Wie kann man sich in einem Menschen doch täuschen kann , wenn man nur nach dem äußeren Erscheinungsbild geht. Noch in der restlichen Dunkelheit rückten wir weiter auf Frankfurt/Oder vor. Einen Tag Pause und in der folgenden Nacht den Rest zurücklegen war sein Plan. Nur mit starken Schmerzen im Bein, konnte ich die restliche Strecke laufen. Am Ortsrand von Frankfurt/Oder verabschiedete sich „Schwule“ mit den Worten ich mache zu meinem Bruder. Lass dich nicht unterkriegen. Halt die Ohren steif. Fort war er.

 

            Ich wurde einige Zeit später von hilfsbereiten Passanten  entdeckt.   Sie brachten mich in ein Krankenhaus. Hätte „Schwule“ damit gerechnet, wäre vielleicht auch für diese Eventualität alles bedacht gewesen, soll heißen eine offizielle Krankenversicherung läge vor. So aber konnte ich zunächst nur mit Ausreden die Krankenhausverwaltung hinhalten. Damit machte ich die Damen und Herren jedoch stutzig. Die informierte Polizei stellte Recherchen an  und war erfolgreich. Nach mehr als sechs Wochen auf der Flucht ist einer der Ausreißer gefasst, war am nächsten Tag in allen Zeitungen zu lesen.

 

            Viel zu früh, nach meinem Empfinden, wurde ich für transportfähig gehalten und abgeschoben.

 

 

 

  

4. Kapitel

 

 

Revolte

 

 

            Wieder zurückgekehrt ging man nicht gerade zimperlich mit mir um. Der Prozess sollte so rasch wie möglich über die Bühne gehen. Niemand wollte mehr etwas mit einem Polizistenmörder zu tun haben. Nach kurzem Aufenthalt in der Krankenstation wurde ich in meine Zelle gebracht. Ich legte mich auf die Pritsche, um meinen Heilungsprozess durch schlafen zu fördern.

 

Nur eine halbe Stunde war mir gegönnt. Dann ging das Lärmen um mich herum los. Mit allem was Krach erzeugte wurden die Gitterstäbe malträtiert. Die Wachen wurden verstärkt. Der Gefängnisdirektor erschien persönlich. Nachdem das Lärmen nicht in den Griff zu bekommen war, entschied der Direktor dass ich in Einzelhaft zu nehmen sei. Mit dieser Maßnahme hatte er zunächst Erfolg.

 

Staatsanwalt Kühn und Hauptkommissar Schwerin leiteten die Untersuchungen zum Ausbruch und zum Mord an Hauptkommissar Weschler. Ihre forschen Auftritte und diversen Verhörmethoden blieben ohne Erfolg, weil ich die Aussage verweigerte. Von meinem Pflichtverteidiger wollte ich nur, dass er mir Akteneinsicht verschaffte. Hilfe erwartete ich von ihm keine. Meine negativen Erfahrungen von der früheren Pflichtverteidigung reichten mir bis heute. Er wollte mir jedoch nur seine mündlichen Ausführungen anbieten. Damit ich meine weiteren Schritte planen konnte benötigte ich jedoch die Akten des Staatsanwaltes. Nach einigem hin und her gelang es mir den Stand der Untersuchungen durch Akteneinsicht zu ersehen.

 

Die Staatsanwaltschaft stand unter erheblichem Druck. Nicht nur der leitende Oberstaatsanwalt, auch die Presse und Bevölkerung erwarteten umgehende Aufklärung des Falles. Sie kamen deshalb erneut zur Befragung und änderten ihre Marschroute. Sie versuchten jetzt mit dem guten und dem bösen Polizisten einmal Drohungen und einmal Schutz vorgaukelnd.  Ich hatte in den Jahren des Gefängnisaufenthaltes  sehr viel gelernt und auch durch mein Studium der Fachliteratur merkten die Herren bald, dass sie kein Greenhorn  vor sich hatten.

 

Der grobe Ablauf des Unfalles war allen bekannt. Auch den Gefängnisinsassen. Was sie selbstverständlich am meisten interessierte waren Details und natürlich Angaben zum Aufenthaltsort von meinem Komplizen Schwule. Diesen Aufenthaltsort wollten auch die ehemaligen Kumpane von Schwule wissen.

 

Es ist immer wieder rätselhaft wie Gefangene des Nachts aus ihren Zellen herauskommen und selbst in den Sicherheitstrakt eindringen können. Dieses Rätsel konnte ich auch nicht lösen. Bekam es aber am eigenen Leib zu spüren. Vier Mann fielen über mich her und vermöbelten mich ganz ordentlich. Den Aufenthaltsort von Schwule verriet ich trotzdem nicht, ich wusste ihn ja auch nicht. Es wollte einfach nicht in die Köpfe dieser Kerle, dass ich die Wahrheit sagte.

 

Die durch die einseitige Prügelei zugezogenen Verletzungen machten es erforderlich, dass ich ins Krankenrevier kam. Warum verlegte man mich nicht in ein Krankenhaus? Ich sah nämlich übel aus. Der Gefängnisarzt attestierte zwar die mannigfaltigen Einwirkungen auf meinen Körper. Weil aber keine lebensbedrohende Verletzung vorlag, sah er von der Einlieferung in das Kreiskrankenhaus ab. Zu meiner Sicherheit bekam ich einen Wachhund, direkt an mein Krankenbett. Es war kein Wärter des Gefängnispersonals, sondern ein ausgebildeter Spezialist, der  mir durch mancherlei Fragen den Aufenthaltsort von Schwule entlocken sollte. Seine Fragen nervten unsäglich. Ich beschwerte mich beim behandelnden Arzt, dass durch die Anwesenheit und die Fragerei des Wachhundes mein Heilungsprozess gefährdet sei. Kein Erfolg.

 

Die Presse lastete der Staatsanwaltschaft mein Missgeschick an und beschuldigte sie dies provoziert zu haben. Außerdem sei der Prozessbeginn unnötig verzögert. Auch am Krankenlager versuchten der Oberstaatsanwalt und sein Hauptkommissar mich zu einer Aussage zu bewegen.

 

Kaum genesen kam ich wieder in  meine Zelle. Zwei Wachposten wurden davor postiert. Mein Vertrauen in sie war nicht gerade groß. Ich  musste etwas tun.

 

Durch meine standhafte Aussageverweigerung kam plötzlich der Gedanke auf, ich hätte Schwule ebenfalls ermordet und verscharrt. Für den Staatsanwalt war das nicht so gravierend wie für Schwules ehemalige Kumpane. Diese steigerten sich immer mehr in diesen Gedanken. Ihre Rachepläne, die sie sogar laut von sich gaben, drangen bis zu mir in die Sicherheitszelle. Ich wusste, das konnte sehr gefährlich werden. Mir blieb recht wenig Zeit.

 

Ich musste wieder zu Kräften kommen und versuchte in der Zelle Bewegungsübungen und Krafttraining zu veranstalten. Mit schmerzverzerrtem Gesicht ging ich die sechs Schritte, die die Zellengröße ermöglichte, auf und ab. Stemmte den Stuhl zigmal. Rumpfbeugen, Liegestützen und ähnliches vermochte ich noch nicht zu vollbringen.  

 

Trotz meinem lädierten Aussehen sollte der Prozessbeginn bald festgelegt werden. Ich glaubte deshalb, dass die Kumpane von Schwule vorher zuschlagen würden. Und ich hatte recht. Durch die beiden Wächter vor der  Tür war ich nämlich auf dem Laufenden. Sie unterhielten sich in normaler Lautstärke. Da ich bei meinen Laufübungen leise ging, konnte ich alles hören. Mein Entschluss stand fest. Ich musste hier raus.

 

Ein unabsichtlicher Sturz bei meinen Übungen endete mit einem Schmerzensschrei. Dieser muss so durchdringend gewesen sein, dass beide Wachmänner ohne Vorsichtsmaßnahme in meine Zelle stürmten. Dies war meine Chance. Ich überwältigte sie ohne große Gegenwehr und auffallendem Lärm. Vorsichtig kontrollierte ich den Zellengang. Außer mir saß niemand im Sicherheitstrakt. Hier hatte ich also nichts zu befürchten.

 

Mein Lesewahn kam mir gerade jetzt sehr zugute. Denn ich hatte die ganzen Räume um die Bücherei umgekrempelt und dabei einen Bauplan des Gefängnisses gefunden. Den hatte ich natürlich nicht bei mir. Aber bei meiner Arbeit Bücher auszuleihen hatte ich hinreichend Gelegenheit mich mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut zu machen. Durch mehrmaligen Umbau und Einbau einer Heizleitung vom Fernheizwerk hatten sich merkwürdige Hohlräume ergeben, die hauptsächlich durch den ehemaligen Heizkeller zu erreichen waren.

 

Also hieß es zuerst in den Heizkeller kommen. Dies war heute morgen nicht so schwer. Es war Sonntagmorgen. Eine kleine süße Schwäche der Insassen half mir noch zusätzlich. Wer nämlich am Sonntagmorgen die Messe besuchte erhielt zum Mittagessen ein delikates Dessert. Deshalb war der überwiegende Teil in der fernab gelegenen Kirche. Selbst in der Bekleidungskammer und in der Küche war es ruhig. Ich konnte mich also mit Decken und Verpflegung versorgen und dann einen passenden Hohlraum als künftiges Domizil aufsuchen.

 

Beide Wächter konnte ich nur leicht betäuben. Es dauerte demnach nicht lange bis sie Alarm schlagen konnten. Ich war gerade in meinem Versteck als die

Alarmglocken heulten.

 

Alles ging zunächst drunter und drüber. Man glaubte an einen Ausbruch meinerseits, der jedoch nur gelingen konnte, wenn von außerhalb Hilfe parat stünde. Und diese Hilfe wäre doch nur durch Schwule möglich! Die Wachen auf den Türmen wurden verstärkt. Trotz Tageslicht wurden die Schweinwerfer eingeschaltet. Der Hof und die Gebäude wurden abgesucht. Die Zellen wurden überprüft. Keine Spur von dem Häftling Katin. Der leitende Oberstaatsanwalt hatte einen Tobsuchtsanfall. Beide Wächter wurden suspendiert. Der Gefängnisdirektor musste sich ungerechtfertigte Vorwürfe gefallen lassen. Die Presse stellte die Staatsanwaltschaft an den Pranger.

 

Katin war wie vom Erdboden verschluckt.

 

Als sich alles einigermaßen beruhigt hatte, wurde mit Überlegung systematisch vorgegangen. Nachdem ich offensichtlich nicht aus dem Gefängnis entwichen war, musste ich mich noch im Innern befinden. Der Gefängnisdirektor entwickelte eine gefährliche Strategie. Er überlegte, dass es ein Mann ohne Verpflegung  nicht lange in seinem Versteck aushalten kann. Er ließ also in der Bekleidungskammer und in der Küche nachsehen, ob etwas fehlt. Da bekanntermaßen Schwund einzukalkulieren ist, konnte vorab kein Fehlbestand ermittelt werden. Daraufhin wurde genaueste Inventur befohlen. Strenge Verhaltensmaßregeln wurden erlassen, die auch die Gefangenen benachteiligten.

 

Meine Erstversorgung reichte für drei Tage. Ich malte mir aus, dass ich der Küche ungefährdet noch einmal einen Besuch abstatten könne, weil man einen Beweis wollte, dass ich tatsächlich noch innerhalb des Gefängnisses war. Ich glaubte nicht, dass jetzt schon eine scharfe Bewachung angeordnet sei. Auf ein Nachlassen der üblichen Aufmerksamkeit konnte  ich nicht hoffen. Also wollte ich mich bereits am nächsten  Tag zur Küche begeben. Ich wähnte  eine Stunde vor Tagesbeginn als  optimal. Mit äußerster Vorsicht wollte ich mich zur Küche schleichen in der Hoffnung niemand störe meinen Weg und ich könnte unbeschadet wieder zurückkehren. Mit diesen Gedanken schlief ich ein.

 

Am nächsten Morgen sah die Sache jedoch anders aus. Ich änderte meine Ansicht über die Möglichkeit noch einmal ungesehen in die Küche zu kommen. Deshalb verwarf ich meinen Plan. Die restliche Verpflegung musste gestreckt werden. Sie sollte mindestens noch für sechs Tage ausreichen. Ich wollte so ähnlich wie Murmeltiere meinen Kalorienverbrauch durch wenig Bewegung einschränken. Dies tat zwar meinen immer noch schmerzenden Körper gut. Mein Magen dagegen wehrte sich. Mit äußerster Disziplin ließen sich noch einmal zwei Tage mit stark reduzierter Verpflegung und einen Tag ohne alles aushalten. Dann aber war der Hunger übermenschlich. Ich spürte eine Faust in der Magengegend, die immer größeren Druck ausübte. Meine Sinne fingen an unklare Reaktionen zu zeigen. Halluzinationen waren nicht mehr weit. Ich musste handeln.

 

Im Gefängnis überschlugen sich derweil die Ereignisse. Meine „Flucht“ führte dazu, dass nur noch ein Drittel der Insassen das Essen in der Kantine einnehmen durften. Die anderen erhielten ihre Verpflegung im Henkelmann von Zellennachbarn mitgebracht. Zu denen, die in die Kantine durften waren nur jene berechtigt, die bisher nicht negativ aufgefallen waren. Viele von ihnen waren in ihrem bisherigen Gefangenenleben von denjenigen, welchen sie jetzt Verpflegung bringen mussten, drangsaliert worden.    Es blieb deshalb nicht aus, dass sie sich zu rächen versuchten. Von einfachen Mitteln, wie trödeln bis das Essen beinahe kalt war, dem zusammenschütten von Kartoffeln, Soße, Fleisch und Gemüse bis zum urinieren in das Essen, war alles vertreten.

 

Die so geschändeten sannen auf Rache. Wie auf Kommando wurden viele der Essensträger von den Gedemütigten bei der Übergabe der Verpflegung durch die Gitter gewaltsam am   Zurückkehren in ihre Zellen gehindert. Vor allen Dingen mit Schnürsenkeln wurden den zunächst so Festgehaltenen die Hände hinter den Gittern zusammengebunden. Ein Zeter und Mordio entstand, das sich die Wärter nicht sofort erklären konnten. Erst allmählich wurde die Bedrohung erkannt und der Gefängnisleitung weitergemeldet.

 

Die Wachmannschaften wurden in stille Alarmbereitschaft versetzt und bezogen bewaffnet ihre Posten. Ein Eingreifen war aber, um das Leben der Festgehaltenen nicht zu gefährden, vorerst nicht möglich. Verhandlungen sollten weiterhelfen. Zähe Beratungen waren zunächst angesagt. Man wollte mit drei bis vier Sprechern der Häftlinge Verhandlungen aufnehmen, aber mit wem. Durch die über das gesamte Gefängnis verstreute Operation war keine „Führung“ zu erkennen mit der man hätte Verhandeln können. Nach zähem Ringen waren es schließlich aus unterschiedlichen Regionen vier Mann, die als Sprecher ausgewählt wurden. Leider traf man keine gute Auswahl.

 

Keine der überzogenen Bedingungen der vier Ausgewählten, konnte die Gefängnisleitung akzeptieren. Man fand auch keine gemeinsame Basis für gegenseitiges Annähern bei den Verhandlungen. Die Fronten verhärteten sich. Die Revolte drohte aus den Fugen zu geraten. Zwar war keiner der Wärter bei den Festgehaltenen, dennoch war es nicht so ohne weiteres  möglich zur Tagesordnung überzugehen. Zu sehr hatten Reporter das Gefängnis bisher schon umlagert und mit der neuen Konstellation einen weiteren absurden Tatbestand erhalten.

 

Die beiden „Blockführer“ gaben unabhängig voneinander ihre festgehaltenen Mitgefangenen frei und empfahlen sich somit  als Gesprächspartner für die Verhandlungen mit der Gefängnisleitung. In zähem Ringen wurde vereinbart, dass alle  in der Gewalt befindlichen Essensträger freigegeben wurden, und die Möglichkeit zum Kantinenbesuch rotieren sollte. Zu einem kompletten Erlass  des eingeschränkten Essengehens konnte sich die Gefängnisverwaltung nicht durchringen. Allerdings sollten diejenigen, die sich brutal gegen ihre Essensträger benommen haben auch weiterhing ihre Mahlzeiten in der Zelle einnehmen. Die Überwachung würde nach sehr strengen Maßstäben ablaufen.

 

In diesem gesamten Tohuwabohu bin ich mehr kriechend als gehend unbemerkt in meine Zelle zurückgekehrt. Abgemagert, zerlumpt und kränker als vorher, legte ich mich auf die Pritsche. Als wieder einigermaßen Ruhe eingekehrt war, und mehr zufällig meine Wärter vorbeischauten, glotzten sie mich ungläubig an. Ich war offensichtlich auf den ersten Blick nicht wieder zu erkennen. Vor lauter Erschrecken gaben sie erneut Alarm. Das Gefängnis stand schon wieder Kopf.

Als ich einigermaßen bei Sinnen war, konnte ich um mich herum den Gefängnisdirektor, den Arzt und mehrere Wärter erkennen. In meiner Benommenheit hörte ich einen Wortwechsel zwischen Arzt und Direktor. Es ging um die Frage Krankenstube oder Krankenhaus. Der Direktor war für das Krankenhaus und eine gründliche Untersuchung, insbesondere wegen dem Verdacht einer Lungenentzündung. Er setzte sich durch. So kam ich wieder einmal ins Krankenhaus.

 

Es war aber auch höchste Zeit, sollte ich nicht auf dem Gefängnisfriedhof meine letzte Ruhestätte finden. Auf der Intensivstation wurde ich Tag und Nacht medizinisch überwacht und polizeilich bewacht. Ein gereinigtes Käsegesicht lugte aus den frischen Bezügen hervor. Ich hatte die Krise überwunden. Selbst in meinem Einzelzimmer musste ich noch einige Zeit die Apparatemedizin über mich ergehen lassen, und natürlich die Bewachung. Allerdings hatte man die auf eine Beamtin reduziert. Auf eine verkappte Beamtin, denn wieder versuchte man über eine Psychologin Informationen zum Ausbruch, zur Flucht und zum Aufenthaltsort von Schwule  zu erhalten.

Sie war trotzdem eine passable Person, die Pseudobeamtin und so hörte ich  gerne zu, wenn sie redete. Das Sprechen war noch etwas anstrengend für mich. Deswegen reduzierte ich meine Antworten auf leichtes nicken oder schütteln des Kopfes. Die Unterhaltung war dadurch sehr einseitig. Erstaunlicherweise redete sie auch über sich. Ihre beiden Jungs hätten sie vor mir gewarnt. Nach den Presseberichten war es verständlich, dass ich keinen allzu guten Eindruck bei ihnen erzeugte und sie Angst hatten um ihre Mama. Eins konnte ich mir allerdings nicht verkneifen. Ich musste ihr, wenn auch unter mehrfachem stocken, sagen, dass ihr die Uniform überhaupt nicht stünde.

 

Es hatte gewirkt am übernächsten Tag kam sie in Zivil. Inzwischen konnte ich deutlicher sprechen. Langsam beantwortete ich ihre Fragen und erzählte ihr in abgespeckter Form den Ablauf der Geschehnisse von der Abfahrt im Gefängnis bis zum Aufgreifen meiner Person. Ich berichtete ohne die Rollen von Schwule und mir klar zu trennen, damit sie noch genügend Raum hatte um nachzufragen. Ihr Hauptziel war vorgegeben. Sie sollte möglichst den Aufenthaltsort von Schwule aus mir herauslocken. Da ich ihn aber nicht kannte war jegliche Befragung fruchtlos. Unser Dialog war beendet.

 

Bei ihrer Verabschiedung teilte sie mir mit, dass Kommissar Neuner ebenfalls in diesem Krankenhaus liege, aber bisher noch nicht aus dem Koma erwacht wäre. Des weiteren lies sie mich nicht im Unklaren, dass der Prozess gegen mich demnächst beginnen werde. Entscheidend sei meine Genesung und die mache sehr gute Fortschritte. Da konnte ich ihr nicht wiedersprechen. Ich fühlte mich relativ gut. Den Prozessverlauf würde ich körperlich gut überstehen. Ich glaubte nach wie vor, dass die Zeit für mich arbeitete und überlegte wie ich den Beginn des Prozesses noch stören könnte.

 

Die Staatsanwaltschaft hatte durch die Psychologin keine grundlegenden neuen Erkenntnisse erlangt. Eine Beratung mit meinem Pflichtverteidiger würde am Prozessbeginn nichts ändern, deshalb lies ich die Sache auf mich zukommen.  Was mir allerdings Sorge bereitete war der Punkt als Hauptkommissar Weschler erschossen wurde. Nach dem Schlag mit der Pistole von Schwule, legte sich  ein Schleier über mein Gedächtnis,  und zwar vom Unfall über das  Aufwachen und das Wegwerfen der Pistole. Alle bisherigen Versuche den Schleier zu durchdringen waren ergebnislos.

 

Der Prozess stand unter keinem guten Stern. Ich sah erstmals Frau Cosima wieder. Es fiel mir schwer ihr in die Augen zu sehen. Sie musste mich ja nach der Sachlage genau wie jeder andere als Mörder ihres Verlobten sehen. Ich hatte keinerlei Chancen diesen Verdacht auszumerzen. Mein einziger Zeuge lag in tiefem Koma und konnte deshalb nicht aussagen und mich entlasten. Selbst der Versuch dem Gericht klar zu machen, dass ich von den Planungen des Mitgefangenen Schwule keine Ahnung hatte, gelang nicht. Es sprach alles dafür direkt vom Gefängnis in meine letzte Ruhestätte zu gelangen.

 

 

 

5. Kapitel

 

Machtkampf

 

Meinen Wiedereinzug in das Gefängnis sah ich mit zwiespältigen Gefühlen. Nach dem Prozess war allen klar „Schwule“ kommt nicht mehr. Wer wird Erbe seines Blockes? Gelang es seinen Kumpanen ihn zu halten, wie bisher, oder wurde er zerrieben und aufgeteilt? Dass ich hier eine entscheidende Rolle spielen würde war mir damals noch nicht klar.

 

Durch die Ereignisse waren alle Geschäfte unterbunden. Die Gefangenen wurden deutlich mehr als früher kontrolliert. Alles hatte sich verändert, bis auf die Rangordnung innerhalb der Insassen. Die Versuche der einzelnen Blöcke Mehrheiten zu finden lagen auf Eis. Es sollte sich wieder normalisieren, bevor hier irgendwelche Stoßmaßnahmen in Richtung absolute Macht erfolgten. Meine Sonderbewachung trug ihren Teil dazu bei.

 

Zu meiner Freude war unsere Bücherei zwischenzeitlich nicht verkommen. Beide Hacker hatten sie in meinem Sinne weitergeführt. Allerdings war die Ausleihe wieder zu  üblichen Quoten zurückgekehrt. Alles nahm wieder seinen geregelten Gang und normalisierte sich immer mehr. Die Insassen waren friedlich wie nie. Aber jeder wartete auf den großen Knall.

 

Als erstes gab es einen neuen Gefängnisdirektor. Nach dem alten Motto „neue Besen kehren gut“ wurden einige liebgewonnene Errungenschaften geändert, so z.b. das Auftragen des Essens. Neue Richtlinien gab es auch zum Hofgang usw. Fair erworbene Privilegien wurden revidiert. Selbst in unserer Situation sahen wir dies als klaren Affront gegen die Menschlichkeit. Murren und Unwillen machte sich breit. Doch keiner traute sich, sich mit dem neuen Direktor anzulegen. Unzweifelhaft zogen wir den kürzeren.

 

Selbst das Reden während den Mahlzeiten wurde unterbunden. Auf dem Hof durften wir nur in kleinen Gruppen umhergehen. Sportliche Veranstaltungen waren kaum noch durchführbar. Es wurde immer ungemütlicher. Der Zustand wurde untragbar. Ein Komitee der Gefangenen versuchte mit dem Direktor zu verhandeln um alte Vorteile wieder zu erlangen. Da diese jedoch nur durch die Bereitschaft des früheren Direktors zum Tragen gekommen waren  und nirgendwo schriftlich verankert oder gar sanktioniert waren, war alles vergebens.

 

Das Komitee der Gefangenen erkannte aber auch, dass es sich ungeschickt benommen hatte bei der Vorsprache. Es wurde krampfhaft nach einer Lösung gesucht. Eine Petition an den Gefängnisausschuss ging ebenfalls ins Leere. Die Presse hatte kein Interesse mehr an den Problemen der Gefangenen seit Beendigung meines Prozesses war die Resonanz abgeflaut. Was war zu tun?

 

Einige Insassen hatten sich mit den neuen strengeren Interna abgefunden. Der Großteil wollte aber wieder zurück zu den einmal gewährten Privilegien. Wie aber sollte bei der derzeitigen Situation das Ganze bewerkstelligt werden? Sie waren doch ziemlich hilflos. Und in dieser Hilflosigkeit erinnerten sie sich an mich und meine Fähigkeiten.

 

Als erstes mussten wir in die Wege leiten, dass die Blockführer, ich und drei weitere über die kommende Vorgehensweise beraten konnten. Die Wärter waren nach wie vor sehr aufmerksam, denn der „Neue“  war überall. Er tauchte ganz unerwartet mal hier mal da auf und hatte immer etwas auszusetzen bei seinem Personal. Dies blieb uns keineswegs verborgen. Und hier setzten wir den Hebel an.

 

Damit keiner der Wärter in Schwulitäten kam richtete sich alles auf den sonntäglichen Gottesdienst. Wie aber sollte der plötzliche Zulauf erklärt werden. Ein Insasse der sich bisher als Mesner engagierte wurde eingeweiht. Er sollte dem Pfarrer die Bildung eines Chors, der dann sonntäglich die Messe mitgestaltet,  schmackhaft machen. Irgendwie roch der Gefängnisgeistliche den Braten und beriet sich mit dem Gefängnisdirektor. Unser schöner Plan  war im Eimer.

 

Bei meinen Rundgängen lernte ich einen sehr ruhigen älteren Mitgefangenen kennen. Eines Tages, die Gelegenheit war günstig, sprach er mit mir über die Restriktionen. Er habe zwar nicht mehr lang zu leben. Aber diese Zeit wollte er so gut wie möglich hier zubringen. Ich klärte in auf, dass wir momentan keinen Weg wüssten wie wir wieder den alten Zustand erreichen könnten. Seiner Meinung nach könnten wir nur von Außen mit gutem Beistand erfolgreich sein. Ich hatte leider keine Verbindung nach draußen. Da lächelte er verschmitzt und meinte kein Problem, ich solle ihm nur den Text mitteilen und er würde es dem Adressaten zukommen lassen. Ich schaute wohl nicht gerade intelligent drein, weil er zwar unterdrückt aber herzlich lachte.

 

Ich überlegte hin und her wen könnte ich außerhalb der Gefängnismauern animieren uns zu helfen. Frau Cosima konnte ich vergessen. Unseren ehemaligen Direktor? Da ein vertrautes Gespräch notwendig war vielleicht die Psychologin vom Krankenhaus? Es war jedenfalls ein Versuch wert. Ich ließ ihr mitteilen, dass ich im Fall Weschler durch reifliches Überlegen doch noch den einen oder anderen Fakt wieder erkannt habe und ihr dies sagen wollte.

 

Zwei Tage späte sagte mir mein Kassiberbeförderer es sei alles in die Wege   geleitet. Er verstand es wieder mich recht ungläubig aussehen zu lassen. Da er mich aber nicht dumm sterben lassen wollte, erhielt ich Aufklärung.

 

Ich habe lange Zeit in Afrika bei einem Negerstamm gelebt. Dort lernte ich auch die Trommelsprache. Mit dieser Kenntnis habe ich deinen Kassiber per Ton an meinen Enkel übermittelt. Und gestern abend bekam ich die Antwort, dass die Mitteilung zu unserer Zufriedenheit weitergeleitet wurde.

 

Dennoch dauerte es mehrere Tage bis die Psychologin einen Gesprächstermin erhielt. Ich musste meine Ungeduld zügeln und meine Nervosität beherrschen. Leider war unser Gespräch durch einen Wärter nicht so ungezwungen wie ich es mir wünschte. Aber erstaunlicherweise schrieb sie während dem sie mit mir redete einzelne Fragen in Stenographie auf. Ich wiederum konnte bei meinen Antworten die Sachlage auch in Steno mitteilen. Damit sie nicht ohne Erfolg von mir ging erzählte ich ihr einige Einzelheiten der  Gefangenenbefreiung und der folgenden Flucht. Sie nahm alles ohne mit der Wimper zu zucken zur Kenntnis. Sagte mir

aber, dass diese Fakten wahrscheinlich nicht ausreichten um meinen Prozess neu aufzurollen.   Sie hielt weitere Gespräche mit mir für sinnvoll und nützlich.

 

Aufgrund der einzelnen Fakten die ich bei unserem ersten Gespräch von mir gab konnte sie das Gericht überzeugen, dass weitere Sitzungen zu noch mehr Fakten führen würden. So kam es, dass wir noch weitere Gespräche führen konnten bei denen es auch um die interne Situation der Gefangenen ging. Zunächst wollte uns keine Lösung einfallen. Da kam ihr der Gedanke den früheren Direktor einzuschalten. Diese Idee war hervorragend, denn zwischen altem und neuem Direktor war nicht  alles im grünen Bereich.

 

Der neue Direktor hatte bei der zuständigen Landesregierung die Verwaltung wie sie vor seiner Zeit gehandhabt wurde sehr ungünstig dargestellt und dem bisherigen Direktor beinahe erhebliche Unannehmlichkeiten bereitet, die sogar die Kürzung der Pension, er war vorrübergehend pensioniert worden, bedeuten konnten. Er hatte dies nur abwenden können, weil die Gefängniskommission voll und ganz hinter ihm stand. Hatten sie doch einige der Errungenschaften mitgetragen und andere voll toleriert.

 

Der bisherige Direktor war es dann auch der die Kommission auf Trab brachte und eine Anhörung initiierte.

 

Die Gefangenen glaubten schon damit gewonnen zu haben. Da es keine gravierenden Missstände zu monieren gab, die abgeschafft werden mussten, taten wir uns unheimlich schwer bei der Formulierung unserer Wünsche. Es fehlte der berühmte Hebel mit dem man so etwas in Bewegung setzen konnte. Wir konnten nur auf die humanitäre Art und Weise der Verwaltung während der Amtszeit des früheren Direktors verweisen, sowie auf unsere Vorreiterrolle bei unserer Bibliothek und hoffen, dass so mancher frühere Missstand keine große Beachtung erhielt.

Mit der Erwähnung unserer gutgeführten Bibliothek hatten wir voll  ins Fettnäpfchen getreten. Alle daraus resultierenden Aspekte wurden uns und insbesondere mir entgegengehalten. Wir hatten den Machtkampf mit dem neuen Direktor verloren.

 

Mein Afrikaerprobter Kollege und ich stellten einige Gemeinsamkeiten zwischen uns fest. Deshalb kam es häufiger zu Treffen und wir  hatten uns einiges zu erzählen. Dabei lernte ich auch etwas von der Trommelsprache, Suaheli und auch von Esperanto. Er erzählte mir auch wie er damals unseren Kassiber nach draußen gebracht hatte. Während meiner Abwesenheit hatte er die „Ehre„ bei uns einkehren zu dürfen. Der frühere Direktor hatte an ihm einen gewissen Wohlgefallen gefunden. Darum durfte er mittags einen ausgehöhlten Baumstamm traktieren. Niemand kam auf die Idee, dass er damit regelmäßig mit seinem Enkel in Kontakt trat. Die Antworten seines Enkels wurden in Pfeifform, allerdings erst abends, übermittelt. So schöpfte niemand Verdacht.  Auf diese Weise erfuhr er auch über die Welt vor den Gefängnismauern.

Ganz elektrisiert war ich, als er erzählte, dass ein Kommissar Neuner nach langer Zeit aus dem Koma aufgewacht sei. Jedoch keine Erinnerung an die Geschehnisse hatte. Auf diese Nachricht hatte ich mit großer Ungeduld gewartet, und jetzt diese Einschränkung bei der Erinnerung. Aber ich kannte ja diesen Black out von mir, wenn auch weit weniger lang anhaltend. Ich bat ihn ein über das andere mal bei seinem Enkel den Stand der Dinge abzufragen. Keine Änderung. Ah verflucht, was gäbe ich drum, wenn Kommissar Neuner mich einwandfrei entlasten könnte. Man müsste mich rehabilitieren und vom Vorwurf des Mordes an Hauptkommissar Weschler freisprechen. Ich dachte an Frau Cosima. Wie sie wohl mit Vornamen hieß?

 

Zäh vergingen die Tage. Immer wieder kreisten meine Gedanken um die Vorgänge der Gefangenenbefreiung und der anschließenden Flucht. Sollte ich mich erneut mit der Psychologin  treffen und die Sache gründlich durchsprechen? Ich konnte mich nicht dazu durchringen. Irgend etwas in mir sagte dies sei der falsche Weg. Aber welcher war der richtige?

Trotz den interessanten und informativen Gesprächen mit „Afrika“ waren die Tage fade. Die Bücherei war für mich tabu. Und zu allem Überdruss hatte ich auch noch Leseverbot. Ich konnte mich auf nichts konzentrieren und wurde so langsam sichtlich nervös. Ich hätte schreien mögen, laut und anhaltend. Ich kam mir wie ein Segelschiff vor, das im Ozean auf eine Brise wartete, um seine Reise fortzusetzen.

 

Der neue Direktor kannte nicht unseren Wissensstand. Er glaubte wir hätten keine Ahnung was vor den Gefängnismauern passierte. Wir wüssten auch nichts über den Zustand von Kommissar Neuner. Er wollte seine Überlegenheit ausspielen und sich für mein Eintreten bei unserem Gesuch  revanchieren. Ich musste bei ihm antanzen. Mit allen möglichen Mitteln, angefangen vom überlangen Warten bis zur Donnerstimme, meinte er mich weich zu kochen. Er verfolgte den Plan mich zu reizen. Ich sollte ihm Gelegenheit geben zu Sanktionen. Aber je mehr er schrie um so ruhiger wurde ich. Ich ließ ihn keine Angriffsfläche erkennen. Er steigerte sich immer mehr und in seinem Zorn sprach er, dass Kommissar Neuner  mich eindeutig als Schützen erkannt habe und somit das Gerichtsurteil im nachhinein sanktioniert wäre.

 

Vollkommen deprimiert kehrte ich in meine Zelle zurück. „Afrika“ fragte was los sei. Ich erzählte ihm von der Häme des „Alten“. Er beruhigte mich und machte mir klar, dass nur ein Unabhängiger, sein Enkel, mir Klarheit verschaffen könnte.   

 

Wieder flogen Töne zwischen „Afrika“ und seinem Enkel über die Gefängnismauern. Der Enkel hatte aber keine Chance an den total abgeschirmten Kommissar Neuner heranzukommen. Ich ließ ihm ausrichten er solle Frau Cosima beobachten und versuchen an sie heranzukommen. Notfalls solle er ihr gegenüber meinen Namen ins Spiel bringen.  Es war sehr schwierig und gelang erst im dritten Anlauf. Die Informationen waren für mich nicht beruhigend. Er hätte immer wieder Rückfälle gegeben und seine Aussage, dass „Schwule“ der Schütze gewesen sei, wurde deshalb noch nicht als sicher angesehen.

 

 

 

 

7. Kapitel

 

Die Rache

 

 

Keine Nachrichten sind schlechte Nachrichten, heißt es im Volksmund. Nichts aber auch gar nichts war zu hören. Stillschweigen in allen Angelegenheiten. Der Enkel von Afrika konnte immer nur wiederholen „keine Neuigkeiten“.  Von Kommissar Neuner kein neuer Zustandsbericht. Frau Cosima lebe sehr zurückgezogen war die einzige Neuheit.

 

Und dann ging es Schlag auf Schlag. Mich hat es total umgehauen. Kommissar Neuner und Frau Cosima heirateten, hieß es und seien mit unbekanntem Ziel auf die Hochzeitsreise gegangen.

 

Ich war vollkommen geschockt. Für mich war es unbegreiflich, dass der notorische Junggeselle und Eisenbahnfreak Neuner und die elegante, reizende Frau Cosima ein Ehepaar sein sollten, und dann noch so schnell. Außerdem sah ich die Felle für die Aufnahme eines neuen Gerichtsverfahrens davonschwimmen.

 

Ich begriff das alles nicht. Ich war ganz einfach k.o. Ich benahm mich auch so, ließ keine weitere Nachricht an mich heran und igelte mich ein. Keiner sollte meine Trauer, Wut, Zorn und Hilflosigkeit sehen. Tage, ja Wochenlang war ich nur ein Schatten meiner selbst. Ich triefte vor Mitleid und sah die Schuld nur bei dem jungen Ehepaar.

 

Afrika ertappte mich bei einem relativ lichten Moment und teilte mir mit, dass sein Enkel zum Spürhund geworden sei und folgendes in Erfahrung gebracht hatte. Das Ehepaar Neuner ist zwar auf Umwegen, aber letztendlich in Moskau gelandet. Von dort ging es dann mit der TransSib weiter.

 

Diese wenigen Hinweise waren aber für mich wie ein Safeschlüssel.

 

Dem Ehepaar Neuner waren meine Ausführungen zur Flucht und der Trennung von „Schwule“ und mir vor den Toren von Frankfurt/Oder bekannt. Außerdem war es kein Geheimnis wohin sich Schwule von mir verabschiedet hatte, nämlich nach Russland. Das Präzisionsgewehr hatte ich niemanden gegenüber erwähnt. Aber für mich war klar, dass Neuner die Möglichkeit nutzte alles über die Familie Schwule in Erfahrung zu bringen, was der Polizeiapparat hergab.

 

In langen Gesprächen waren Frau Cosima und Kommissar Neuner zu der Erkenntnis gelangt, dass sie ihre Trauer und Empfindungen nur in den Griff bekämen, wenn sie selbst etwas tun würden. Ohne es deutlich auszusprechen war ihnen klar wohin ihre Gedanken gingen.

 

Kommissar Neuner war aufgrund seiner Verletzungen vom Amtsarzt für dienstunfähig erklärt worden und damit quasi frei. Zu seiner Trauer und persönlichen Empfindungen kam dadurch noch Verbitterung hinzu. Frau Cosima löste ihr Beschäftigungsverhältnis mit der Begründung sich selbständig machen zu wollen. Kein Verdacht sollte ihren Plan zu früh erkennen lassen. Deshalb auch die Eheschließung und nachfolgende Hochzeitsreise.

 

Über Venedig und Athen waren sie schließlich nach Moskau gelangt. Ohne Unterbrechung sollte die Reise mit der TransSib weitergehen. Sie hatten beide kein Auge für die wechselnden Landschaften, die Vegetation und die Leute. Sie hingen ihren Gedanken nach und waren deshalb zu zweit einsamer denn je. Ihr Vorgehen kam ihnen mit der Zeit immer idiotischer vor, aber keine wollte der erste sein beim Aufgeben.

 

Manchmal gelingt eine Aussprache im Dunkeln, wenn der direkte Sichtkontakt fehlt, besser. Sie waren allerdings zu vieren im Schlafabteil, deshalb verzichteten sie auch hier auf eine Aussprache. Kamtschatka, die russische Halbinsel in der Beringsee war ihr Ziel. Bis zum Baikalsee hatten sie es erst geschafft.

 

Aufgrund der „überstürzten“ Abreise waren keine akribischen Reiseplanungen und Vorbereitungen erfolgt, so mussten sie ins Blaue hinein an ihrem Weiterkommen arbeiten. Sie konnten zwar vor Ort einige nützliche Gegenstände besorgen aber keine vollständige und sinnvolle Ausrüstung für ihr Abenteuer erwerben.

 

Mit einem alten Armeelastwagen konnten sie nach zig Fehlversuchen ihre Reise fortsetzen. Zunächst umfuhren sie den Baikalsee. Dann ging es entlang der Lena Richtung Norden nach Jakutsk. In Jakutsk war es möglich die Ausrüstung zu verbessern, insbesondere was die Kleidung für die kalten Nächte betraf. Von Jakutsk aus ging es Richtung Osten.

 

Eine Weiterreise war nur mit Pferden oder Pferdekarren möglich. Sie entschieden sich für Pferdekarren mit Führer. Der sollte sie bis zum Lager eines Nomadenstammes bringen. Sie  standen mitten in der Steppe samt der Habseligkeiten, denn das Lager war aufgelöst. Der Führer war samt Pferdekarren umgekehrt und hatte sie einfach stehen lassen. Sie mussten auf  einen Zug Nomaden warten, bei ihnen  fanden sie Unterschlupf und Sicherheit. Vorläufig hatten sie alle denselben Weg. Regen, Wind und lange ungewohnte Ritte setzten ihnen erheblich zu. Als sie sich von den Nomaden trennen mussten waren sie in keiner guten körperlichen Verfassung.

 

Sie waren bis zu den Ausläufern eines mittelgroßen Gebirges gekommen. Dort suchten sie einen Unterschlupf. Nur eine große dumpfe Höhle gab ihnen etwas Deckung vor den Unbilden des Wetters. Bei Neuner zeigte sich ein erheblicher Erschöpfungszustand. Aufgrund der Schussverletzungen kam es auch immer häufiger zu Gedächtnisausfällen. Frau Cosima umsorgte ihn so gut es ging. Glücklicherweise hatten sie verschiedene Medikamente in großer Zahl mitgenommen, die jetzt eingesetzt werden konnten.

 

Die von den Nomaden erworbene Nahrung ging zu Ende. Wasser hatten sie Dank einer Quelle im Überfluss. Frau Cosima war bei ihren Jagdversuchen mehr als erfolglos. Sie kehrte jedes Mal ohne Beute zurück. Allerdings war sie mit ihrem Schießen anderen Bewohnern der Region aufgefallen.

 

Kommissar Neuner halfen die Medikamente und er konnte bald wieder vernünftig mit Frau Cosima kommunizieren. Allerdings fehlten ihm noch die Kräfte um überhaupt aufzustehen. Frau Cosima hatte auf ihren Jagdausflügen einmal Glück und fand gut erhaltene Überreste einer Beute die ganz offensichtlich von einem Bären stammten. Mit diesem Gewinn waren sie in der Lage den Hunger ausreichend zu bekämpfen. Nun waren sie wieder bereit über ihre aussichtslose Lage zu reden. Es half alles nichts. Sie gestanden sich den Blödsinn ihrer Wahnsinnsidee „Schwule“ als Schuldigen gefangen nach Deutschland zu bringen ein. Es half aber nichts. Bis zu beiden Ohren staken sie im Dreck.

 

Bei ihrer Ausrüstung befand sich neben einem vorsintflutlichen Jagdgewehr noch eine Kalaschnikow. Diese sollte Kommissar Neuner immer bei sich tragen, weil durch die Beute eindeutig feststand, dass Bären in der Nähe waren. Vielleicht war die von ihnen belegte Höhle das Domizil eines Bären? Dann sollte er sich wenigstens mit der Kalaschnikow wehren können. Frau Cosima wollte die Umgebung erkunden, um ein Weiterkommen  zu realisieren.

 

Auf diesen Erkundungsgängen wurde Frau Cosima von drei argwöhnischen  Augenpaaren beobachtet. Die Beobachter konnten sich keinen Reim darauf machen, weshalb eine Frau alleine durch die Wildnis lief und zwar ziellos. Hätte sie wissenschaftliche Beobachtungen angestellt, hätte man sie für eine verrückte Forscherin halten können, aber so. Das ganze war unerklärlich und deshalb blieben sie ihr auf der Fährte. Dadurch entdeckten sie auch die Behausung.

 

Die Höhle hatte einen zweiten Eingang der an einem kleinen See vorüberführte den die Quelle speiste. Frau Cosima hatte großes Verlangen ihren Körper einmal gründlich zu reinigen und vielleicht auch etwas zu pflegen. Am See angekommen zögerte sie nicht und entledigte sich, trotz nicht gerade sommerlicher Temperaturen, sämtlicher Kleidungsstücke und ging langsam in den See. Das Wasser war klar und erfrischend. Ein angenehmes Gefühl ergriff ihren wundervollen Körper.  Sie tauchte gänzlich unter und ließ sich vom Wasser tragen. Am nahen Ufer angekommen, wusch sie sich in dem sie etwas von dem ganz feinen Sand, der den Grund bedeckte, aufnahm und ihn als Seife verwandte. Damit sie keine Wunden scheuerte ging sie ganz behutsam und zärtlich zu Werke. Diese schmeichelnden Bewegungen und die blendende Figur waren es wohl, die die drei Beobachter aus ihrem Versteck hervortrieben. Frau Cosima bemerkte die drei nicht sofort. Sie war mit ihren Gedanken zu sehr abgelenkt. Erst als die Beobachter sich mit unflätigen Bemerkungen an sie wandten drehte sie sich um und erschrak zutiefst. Ihr war klar was die drei wollten und sie keinerlei Chance hatte. Verzweifelt versuchte sie ihr Heil in der Flucht.

 

Sie hatte jedoch keinen Erfolg. Die drei waren, ihre Gedanken ahnend, zuvorgekommen und zogen sie aus dem Wasser. Schreien und wehren half ihr alles nichts. Die Kerle waren dadurch nur noch wilder geworden. Jeder wollte der erste sein der sich mit Frau Cosima  vergnügte. Dieses heillose Streiten war ihr Glück, denn zwischenzeitlich, durch den Lärm alarmiert, tauchte Kommissar Neuner mit der Kalaschnikow auf. Ohne zu Zögern schoss er auf die Vergewaltiger. Diese sanken im Kugelhagel auf Frau Cosima nieder, die auf dem Boden lag.

 

Trotz eines drohenden Nervenzusammenbruches ging sie noch mal ins kalte Wasser, um sich von Blut und Dreck zu reinigen.  Sie heulte hemmungslos und war durch nichts zu beruhigen. Kommissar Neuner umhüllte sie notdürftig mit ihren Kleidern und trug sie zum Lager. Dort angekommen deckte er sie sorgfältig zu, verstärkte das Feuer und hielt Nachtwache. Es war eine sehr unruhige Nacht. Sie weinte und schluchzte bitterlich und erlebte sicherlich noch einmal alles als Alptraum.

 

Am Morgen machte er ihr klar, dass er aus Sicherheitsgründen noch einmal die nähere Umgebung erkunden und die drei Leichen beseitigen müsse. Sie hatte sich zwischenzeitlich gut erholt und stimmte ihm zu.

 

Kommissar Neuner konnte keine weitere Gefahr entdecken und ging zu den Leichen zurück. Auf dem Rückweg überlegte er krampfhaft wie er die Toten beerdigen konnte. Der Boden war steinig. Am Tatort angekommen entdeckte er, als er nach oben sah,  unweit eine Felsennase mit einer V-ähnlichen Einkerbung. Ohne im Klaren zu sein was er dort anzutreffen hoffte, stieg er empor. Er fand ein kleines Steinmeer, das durch einen schräg liegenden Hinkelstein vor dem Absturz bewahrt wurde. Nach längerem betrachten und überlegen kam er zu dem Schluss, dass, wenn er den Hinkelstein über den einen Rand der Einkerbung lupfen könnte, das Steinmeer zum Absturz zu bringen sei. Die dadurch ausgelöste Steinlawine könnte für die drei ein ideales Grab sein. Er musste sie nur entsprechend lagern.

 

Offensichtlich war hier einmal ein kleiner Wasserfall, denn genau unterhalb der Felsennase befand sich eine Ausbuchtung, die das herabfallende Wasser geschaffen hatte. Hierhin transportierte er die Leichen. Beruflich inspiriert juckte es ihn die Taschen zu untersuchen.  Damit er aber nicht in Versuchung kam irgendeinen  Hinweis, der ihn einmal verraten könnte, einzustecken, unterließ er die Untersuchung.   

 

Nach dem  unangenehmeren Teil seiner Arbeit suchte er einen passenden Ast den er als Hebel am Hinkelstein einsetzen konnte. Er musste im Unterholz nicht lange suchen. Mit dem Ast stieg er wieder bergauf zu der Felsennase. Es gelang ihm mit viel Aufwand den Hinkelstein frei zu machen, um seinen Hebel anzusetzen. Reichlich Schweiß vergoss er allerdings bis er den Hinkelstein etwas lupfen konnte. Zufällig rollte ein größerer runder Kiesel unter den gelupften Hinkelstein. So gelang es ihm diesen immer mehr in die Senkrechte zu bringen bis unter lautem Getöse und viel Staub das Steinmeer in Bewegung kam. Auf dem Weg nach unten löste es  tatsächlich eine Steinlawine aus.

 

Als sich der Staub verzogen hatte, konnte Kommissar Neuner feststellen, dass er ganze Arbeit geleistet hatte. Von den Toten war nichts mehr zu sehen.

 

Er kehrte in die Höhle zurück. Frau Cosima hatte sich wieder gefangen und war dabei ihr kleines Lager abzubrechen. Hier wollte und konnte sie nicht länger bleiben. Sie nahmen ihre Habseligkeiten und machten sich zu Fuß auf den Weg. Von seiner erledigten Arbeit sprach er zunächst nicht.

 

Sie kamen nur mühsam vorwärts. Ihre Schritte wurden kleiner schleppender und qualvoller. Die Strapazen wuchsen mit jedem Tag. Und wieder war die Sicherstellung der Verpflegung ein zusätzliches Problem. Nicht weil es nichts jagdbares gegeben hätte. Sie waren einfach nicht mehr in der Lage einen sicheren Schuss abzugeben. Fallen stellen hatten sie nicht gelernt und so waren sie auf Beeren und sonstige Wildfrüchte angewiesen. Erstaunlicherweise genügte vorläufig diese Art der Verpflegung.

 

Am dritten Tage kam ihnen die Gegend in der sie sich befanden unheimlich bekannt vor. Sie waren im Kreis gelaufen und hatten keinen Zentimeter gewonnen.

 

In der glasklaren Luft war die durch die Steinlawine entstandene Staubwolke kilometerweit zu sehen gewesen. Den patrolierenden Rangern  war von umherziehenden Nomaden darüber berichtet worden und sie machten sich auf den Weg die Ursache zu erkunden. Bevor sie die wirkliche Ursache entdecken konnten, sahen sie zwei taumelnde hilflose Personen auf sich zu kommen. Sie päppelten sie etwas auf und brachten sie zunächst in ihr Basislager. Dort erholten sie sich soweit, dass ein Ranger sie zu Nomaden bringen konnte.

 

Mit diesen zogen sie weiter nach Osten. Sie wollten schließlich auf die Halbinsel Kamtschatka, weil sie aufgrund  ihrer Informationen Schwule dort vermuteten.

 

Die Nomaden kümmerten sich rührend um sie. Stadtmenschen werden aber über Nacht nicht zu Nomaden und so taten sie sich immer noch schwer in der Wildnis. Sie sahen und lernten einiges über das Leben und Überleben in der freien Natur, waren aber trotzdem unschlüssig ob sie wirklich das Abenteuer weiter verfolgen sollten.

 

Im Hauptlager der Nomaden trafen sie überraschend auf zwei bekannte deutsche Tierfilmer, die auf dem Weg nach Kamtschatka waren, um einen größeren Bericht über die dort lebenden Bären  zu  erstellen.  Sie hatten ihre Expedition für einen längeren Zeitraum geplant und waren, entgegen sonstiger Gewohnheiten, mit zwei großen geländegängigen Fahrzeugen unterwegs. Kommissar Neuner und Frau Cosima sahen eine Chance etwas bequemer als bisher zu reisen, falls sie von den Tierfilmern mitgenommen würden. Es bedurfte viel Überredungskunst und dem Wissen aus ihrem Beruf als Bibliothekarin, um das Mitreisen zu erreichen.

 

Beide erholten sich zusehends von ihren Strapazen. Sie wurden kurzerhand zu Assistenten befördert. Somit konnten die Tierfilmer getrennt ihrer Aufgabe nachgehen. Zur Übung wurde an erfolgversprechenden Plätzen ein längerer Aufenthalt gewählt und, auch ohne dass Bären vor der Linse auftauchten, interessantes Getier im Film festgehalten. Bei dieser interessanten Arbeit verging rasch die Zeit und zunächst vergaßen die beiden ihren ursprünglichen Plan.

 

Außer den Nomaden hatten auch Jäger die Staubwolke gesehen und das Donnern der Steinlawine vernommen. Es dauerte aber erstaunlich lange bis einer von ihnen in der Höhle menschliche Spuren entdeckte. Die äußeren Spuren waren inzwischen getilgt. Beim weiteren umherschweifen entdeckte der Jäger das Steinmeer. Er sah sofort, dass die Steine mal die Witterungsseite zeigten und mal nicht. Er hatte die Stelle gefunden an der die Steinlawine niederging. Neugierig geworden suchte er nach dem  Grund des Ereignisses. Auf der Höhe bei der V-Kerbung fand er noch einige Arbeitsspuren die der Kommissar hinterlassen hatte. Und er entdeckte noch etwas: Gold. Das abstürzende Steinmeer hatte eine Goldader freigelegt.

 

Er hatte aber nicht viel Zeit sich über den Fund zu freuen, denn andere Jäger und die Ranger waren alsbald zur Stelle. Die Ranger machten den Goldfund zur Staatsangelegenheit und verboten das Schürfen. Es kam zu Handgreiflichkeiten die bestimmt ein ungutes Ende genommen hätten, wäre da nicht einer der Jäger den Rangern zu Hilfe geeilt. Der Jäger hatte offensichtlich bei allen eine besondere Rangstellung und konnte deshalb die Angelegenheit zu einem guten Ende bringen.

 

Der Jäger war der ältere Bruder von Schwule. Sein Bruder, der sich einige Zeit bei ihm aufgehalten  hatte, hatte ihn über alles informiert. Den Tod seiner Frau, den Gefängnisaufenthalt und die Flucht waren ihm ausführlich geschildert worden. Der Jäger wusste aber auch, dass sich zwei Deutsche, ein Mann und eine Frau   in diesem Terrain aufgehalten hatten, die seinen jüngeren Bruder suchten.

Er inspizierte die Höhle. Sie lieferte im aber keinen anderen Hinweis als schon dem ersten Jäger. Er machte sich so seine Gedanken über die gewollte Steinlawine. Sollten darunter die drei Wilderer vergraben sein, die er schon lange kannte? Ihnen wollte er einen Besuch abstatten und mal wieder die Leviten lesen, weil sie es gar zu toll trieben  bei ihren Jagden und die er in ihrer Behausung nicht antraf? Schade war es nicht um sie!! Fand er.

 

Wo offen Gold zu finden ist, könnte es auch in bzw. unter der Erde Gold geben. Es würde nicht lange dauern und das Steinmeer würde um und umgeschichtet und dabei könnten leicht die drei Leichen entdeckt werden. Sein Bruder hatte ihn gebeten den beiden armen Irren zu helfen. Das war der zweite Grund gewesen weshalb er seine angestammten Jagdgründe in Kamtschatka verlassen hatte. Er musste sie umgehend finden.

 

Die Ranger berichteten ihm vom Auffinden der beiden Deutschen und deren Weiterreise mit den Nomaden. Schwule I machte sich sofort auf den Weg. Bei den Nomaden angekommen, erfuhr er dort vom Zusammentreffen der Filmer mit den Gesuchten und deren Weiterfahrt. Nun wurde es schwierig. Er war nur mit Pferd und Packpferd versorgt, weil er wieder einmal richtig in der Natur unterwegs sein wollte. Jetzt bedauerte er diesen Umstand. Es half alles nichts. Er musste die beiden schnellstens finden.

 

Die Ausbildung zu Assistenten und die nicht geplanten Filmstopps führten dazu, dass sie noch nicht allzu weit gekommen waren. So dass sie der Jäger am Ende doch schneller fand als befürchtet. Er machte nicht viel Federlesen, gab sich den beiden zu erkennen und schilderte ihnen ihre auswegslose Situation, falls die Toten gefunden würden, was nur eine Frage der Zeit war.

 

Die beiden Filmer waren zur Unterstützung bereit. Sie brachen ihre Zelte ab und fuhren mit ihren Assistenten und dem Jäger über Chabarowsk nach China. Der Jäger hatte einen Nomaden als Begleiter mitgenommen und konnte diesem Pferd und Handpferd zur Betreuung überlassen.

Auf der überstürzten Fahrt nach China hatten trotzdem alle Gelegenheit sich gründlich auszusprechen. Dabei erfuhren Frau Cosima und Kommissar Neuner einiges über seinen jüngeren Bruder, allerdings nicht seinen derzeitigen Aufenthaltsort. Und sie lernten den großen Bruder näher kennen und bewundern.

 

Die Einreise nach China erfolgte dank einer alten - aber noch gültigen - Reisegenehmigung der Tierfilmer relativ einfach. Trotzdem mussten sie auf der Hut sein, bis sie eine Hafenstadt erreicht hatten. Die Weiterreise war etwas komplizierter, weil sie wieder auf sich gestellt waren. Nach einer mehrtägigen Seereise nach Hongkong, die sie nur bezahlen konnten, weil der Jäger sie großzügig mit Barmitteln ausgestattet hatte, ging es unter besseren Bedingungen als bisher  nach Hamburg und dann per Bahn in ihre Heimatstadt.

 

 

 

8. Kapitel

 

Rehabilitation

 

 

Die Heimkehr von Frau Cosima und Herrn Neuner sprach sich schnell herum. Insbesondere, weil sich auch die Staatsanwaltschaft stark um die beiden bemühte. Aber nicht wegen strafrechtlicher Verfolgung, sondern weil sich der Oberstaatsanwalt  neue Informationen zum Fall „Weschler“ erhoffte. Herr Neuner musste ihn enttäuschen. Er berichtete von ihren Erlebnissen soweit er es für erforderlich hielt und teilte mit, dass sie den Bruder von „Schwule“ getroffen haben, dieser aber den Aufenthaltsort seines Bruders nicht verraten hat.

 

Etwas wichtiges aber gab es doch. Schwule hatte seinem Bruder gegenüber ausgesagt und eine schriftliche Erklärung abgegeben, dass er Oberkommissar Weschler  erschossen und mir, als ich bewusstlos da lag, die leere Pistole in die Hand drückte. Dem Oberstaatsanwalt schien diese Information nicht zu passen. Er überhörte sie einfach. Er sah die Sache als erledigt an. Ich war abgeurteilt und damit basta.

 

Überraschend für mich war der Besuch von Frau Cosima. Das Abenteuer mit allen Gefahren und den Informationen des Jägers haben ihr klar gemacht, dass ich weder von den Ausbruchsplänen Schwules wusste, noch der Todesschütze war. Sie versicherte mir zwar, dass alles wieder so sei wie früher, aber ich konnte dem nicht zustimmen. Ich war zutiefst betroffen von ihrem Verhalten. Zuerst glaubte sie mir kein Wort, dann heiratete sie überstürzt Kommissar Neuner und zum Schluss verschwand sie ohne Nachricht.

 

Neuner und sie führten weiterhin nach außen eine eheähnliche Zweckgemeinschaft, waren aber nach wie vor Single.

 

Sie besuchte mich noch einmal und wunderte sich, dass ich keine Anstalten machte die Wiederaufnahme meines Verfahrens voranzutreiben. Ich  würde mich hier soweit wohl fühlen und hätte keine Veranlassung wieder auf die Menschheit losgelassen zu werden, gab ich zur Antwort. Sie konnte mein Verhalten nicht nachvollziehen und war direkt böse auf mich.

 

In Gesprächen mit dem früheren Gefängnisdirektor und ihrem Onkel, dem Vorsitzenden des Gefängnisausschusses beriet sie mehrmals das weitere Vorgehen, um mein Verfahren wieder aufnehmen zu lassen. Am Anfang schien die Sache äußerst verworren zu sein. Niemand wollte tätig werden, weil jeder der Überzeugung war, der Anstoß müsste von mir kommen.

 

Frau Cosima fühlte sich für mich verantwortlich und lies allen Beteiligten keine Ruhe. Es wurde eine Bürgerinitiative gegründet, die die Wiederaufnahme meines Verfahrens betreiben sollte. Erst als die Presse mit ins Boot stieg schien ein Erfolg garantiert. Dennoch dauerte es geraume Zeit bis zur Terminierung.

 

Ich lies das ganze Procedere  über mich ergehen. Keine Freude kam bei mir auf als dann zu Recht die Verurteilung wegen Mordes an Oberkommissar Weschler zurückgenommen wurde. Nach mehr als fünf Jahren Knastaufenthalt war das nur ein Tropfen auf den berühmten heißen Stein. Es standen mindestens noch acht Jahre aus, bei guter Führung wohlgemerkt. Bei den Schikanen des neuen Gefängnisdirektors nicht ganz einfach.

 

Kommissar Neuner und Frau Cosima trennten sich!! Er hatte die Weiten Russlands vor Augen und wollte wieder dorthin. Frau Cosima informierte mich persönlich darüber. Ich kann nicht sagen, dass ich unglücklich aussah bei dieser Nachricht. Das erste mal seit langer Zeit, dass wieder ein Lächeln über mein Gesicht huschte. Ich bekräftigte nochmals meine Dankbarkeit für ihre Hartnäckigkeit zur Erlangung des Wideraufnahmeverfahrens.  Und fragte, allerdings nur mit den Augen, ob ích sie wiedersehen werde. Es bedurfte keiner geäußerten Zustimmung. Unser trautes Verhältnis blühte wieder auf.

 

Bei den regelmäßigen Besuchen von Frau Cosima, sie heißt übrigens mit Vornamen Cornelia, also CC, kam auch der ursächliche Grund meines Gefängnisaufenthaltes zur Sprache. Ich erzählte CC alles, ohne zu beschönigen oder zu verheimlichen. Sie war von meiner Unschuld total überzeugt. Sie wolle alles daran setzen um Licht in das Dunkel zu bringen.

 

Das Ergebnis ihrer Recherchen in meinem Heimatort war jedoch mau. Außer den alten Zeitungsartikeln, die über den Fall groß und ausführlich berichtet hatten, gab es keine Informationen.  Die Nachforschungen nach der damaligen Ehefrau von Dr. Kahnig und seiner Sprechstundenhilfe waren erfolglos. Sie waren wie vom Erdboden verschwunden.

 

Der Versuch mit ehemaligen Kollegen ihres Verlobten, Oberkommissar Weschler, meinen Fall zu diskutieren und eventuell Hilfestellung bei der Suche nach den verschwundenen Frauen zu erhalten war ergebnislos. Die ehemaligen Kollegen hielten mich nach wie vor, trotz Rehabilitation für den wahren Mörder ihres Kollegen.

 

CC war sehr verzweifelt als sie bei ihrem nächsten Besuch von den Pleiten erzählte.  Ich versuchte ihr klar zu machen, dass ich von Anfang an keine Hoffnung hatte. Dass meine Rehabilitierung teilweise nicht akzeptiert wurde hat mich allerdings getroffen. Damit hatte ich nicht gerechnet.

 

Auch mit meinen Besuchern war nicht zu rechnen. Es waren Herr Neuner und, er stellte mir seinen Begleiter vor, der Jäger Schwule. Diese Neuigkeit glich einer Bombe. Neuner war auf halbem Weg mit dem Jäger Schwule zusammengetroffen und erfuhr von diesem, dass „unser“ Schwule inzwischen einem Krebsleiden erlegen war.  

 

Neuner musste erkennen, dass er nicht mehr richtig genesen würde. Trotzdem hat er versichert keinen Groll wegen der Schüsse auf ihn zu haben. Von CC hat er von meinem angeblichen ersten Verbrechen gehört und ihr versprochen alles in seiner Macht stehende zu tun um mir zu helfen. Auch der Jäger Schwule fühlte sich berufen in meiner Angelegenheit tätig zu werden.  Zwei so gewieften Profis sollte es eher möglich sein den Aufenthaltsort der Ehefrau von dem Psychologen Herrn Dr. Kahnig und seiner ehemaligen Sprechstundehilfe ausfindig zu machen, als CC.

 

Ich schaute wieder etwas hoffnungsvoller in die Zukunft. Auch meinen Mitgefangenen viel auf, dass ich wieder etwas aufblühte. Das Wachpersonal war angewiesen Veränderungen im Verhalten der Gefangenen umgehend dem Direktor mitzuteilen. Dementsprechend wurde ich zu ihm zitiert. Er wollte von mir erfahren was die Grundlage meines Optimismus wahr. Und dann trat ich ganz ordentlich ins Fettnäpfchen. Aus meiner guten Laune heraus sagte ich ihm „ich sei wohl nicht mehr lange sein Gast“. Daraus schloss er wohl, ich wolle mich abseilen.

 

Die Folgen dieses Missverständnisses bekam ich recht bald zu spüren. Auch die Mitgefangenen mussten in der Folge wegen meiner unbedachten Aussage leiden.

 

Waren bisher schon alle Anweisungen kleinlich ausgelegt worden so kam es jetzt noch dicker. Man konnte ruhig sagen sie wurden jetzt Buchstabe für Buchstabe gegen uns verwandt.

 

Der Ton der Wachmannschaften wurde noch um eine Nuance lauter. Die Aufmerksamkeit verschärft. Die Kontrollen öfter und intensiver durchgeführt. Wenn mehr als drei Gefangene beisammen standen gingen die Wachen dagegen vor. Mannschaftssport war enorm eingeschränkt. Selbst der Kirchgang wurde zum Kontrollgang degradiert.

 

Meine Zelle wurde beinahe täglich inspiziert. Aufgrund der vermuteten Fluchtgefahr gab es daran nichts zu deuteln. Meine wenige Post wurde wieder und wieder auf Fluchthinweise durchforstet. Ob außerhalb meiner Zelle Fluchthilfen angebracht waren wurde geprüft. Die Wachen auf den Türmen wurden verdoppelt. Mein Essen bekam ich als Letzter und musste einsam und verlassen am Esstisch sitzen. Besuche wurden untersagt.

 

CC war damit ganz und gar nicht einverstanden. Aber sie lief mit ihren Beschwerden gegen eine Gummiwand, die ich dummerweise aufgebaut hatte. Die Fluchtgefahr lies alle erdenklichen Einschränkungen zu. Was mich erstaunte war die Ausdauer mit der alle restriktiven Maßnahmen aufrecht erhalten wurden. Als wäre ich der Staatsfeind Nummer 1.

Inzwischen waren Neuner und Schwule sehr aktiv gewesen. Aber alles ohne Erfolg. Die Aufenthaltsorte der beiden Damen waren einfach nicht zu ermitteln. Alle Künste der beiden, ihre Querverbindungen und auch Untergrundkontakte gaben nichts her. Es war zum Verzweifeln. Der heimlich eingeschaltete Polizeiapparat war ebenfalls erfolglos.

 

Im Gefängnis bildete sich allmählich Widerstand. Trotz aller Strenge war der Direktor ein Mann mit Spürsinn. Er roch förmlich den Unmut und lies nach und nach die strengen Maßnahmen auslaufen. Er gestattete sogar wieder einen reibungslosen Buchverleih. Unsere Bücherei lebte also noch. Ich war jedoch nicht in der Stimmung Bücher zu lesen. Ein Neuer, der jetzt für die Bücherei zuständig war, erkannte meine derzeitige Abneigung zu lesen. Er offerierte mir ich solle dann wenigstens Journale betrachten. Was, wir haben Journale? Dabei hatte ich doch zu meiner Zeit alles umgekrempelt!!! Er wiederholte aber mehrmals sie in der Bücherei entdeckt zu haben. Das jeweilige Datum gab ihm recht. Die Journale waren alle schon vor meiner Einkehr ins Gefängnis gekommen.  

In meinem Zustand war es tatsächlich angenehmer Journale durchzublättern als ein Buch zu lesen. Das einzige was mich störte, die Journale waren eher für ein Gefängnis mit weiblichen Insassen. Trotzdem fing ich an zu blättern. Geistesabwesend betrachtete ich Bild um Bild. Bei manchen verweilte ich etwas länger. Manchmal las ich auch die ersten Worte eines Textes.  Was mich mit der Zeit mehr interessierte waren die Angaben zum Fotographen. Ich stellte fest, dass die Bilder hauptsächlich von einem Fotographen stammten.

 

Als ich eine ausführliche Fotoreportage über Gesichtschirurgie sah, flammte  ein ganzer Kronleuchter auf. Wie wäre es, wenn die beiden verzweifelt gesuchten Damen heute anders aussehen würden als damals. Dass sie mit gefälschten Personalien weiter in Deutschland lebten hatten wir uns schon gedacht. Aber dass eventuell auch das Aussehen verändert worden war daran hatten wir nicht geglaubt, weil es nach unserer Auffassung keinen Grund gab. Eine Namensänderung war uns logisch. Die Presse hatte damals auch überregional von dem Mord berichtet und bei den Angaben zu den Personen keine Hemmungen gehabt.

Bei den wieder möglichen Besuchen erzählte ich CC von meinem neuesten Zeitvertreib, von den tollen Bildern und auch von denen die Menschen vor und nach Schönheitsoperationen zeigten. Die Wärter hatten auf mich immer noch ein besonderes Augenmerk und ich wollte vermeiden, dass einer etwas unausgegorenes aufschnappte. CC sah mich traurig an. Sie dachte wohl ich sei ganz übergeschnappt. Sie verkürzte deshalb ihren Besuch und ging schleunigst nach Hause.

 

Sie erzählte am Telefon Kommissar Neuner von meiner neuen Erkrankung. Der jedoch war sofort hellhörig und versuchte mit Scherzen alles aus CC herauszuquetschen was sie von mir gehört hatte. Er wusste warum ich dies so nebenbei und doch bestimmt erzählt hatte. Da ich in meiner Erzählung sehr euphorisch tat und den Namen des Fotographen mehrmals erwähnte konnte ihn CC Neuner mitteilen.

 

Neuner  rief sofort Schwule an. Sie recherchierten mit Erfolg. Sie fanden den Fotographen und konnten in seinem umfangreichen Archiv einiges finden das interessant war. Es gab unter anderem Fotos der beiden Frauen, die sie für mich suchten. Und dennoch dauerte es unheimlich lange bis Neuner und Schwule beide fanden.

 

Die Ehefrau des Psychologen hatte nicht wieder geheiratet. Die Sprechstundehilfe war nie verheiratet. Beide Frauen lebten zusammen. Sie betrieben eine kleine wohlgefällige Boutique, die aber nicht überaus rentabel war. Geldsorgen hatten sie offensichtlich trotzdem keine. Wie war das zu verstehen?

 

Neuner konnte in Erfahrung bringen, dass der Psychologe damals eine Lebensversicherung über 2 Millionen abgeschlossen hatte. Nach dem Mord gab es keine Schwierigkeiten. Die Versicherung zahlte ohne Bedenken. Mit dem Geld aus der Lebensversicherung und geschickter Handhabung an der Börse hatten die beiden Damen finanziell für einen gesicherten und guten Lebensstandard gesorgt.

 

Warum aber die Gesichtsoperationen. Beide hatten bereits vorher ein passables Aussehen. Die Operationen waren doch nur Geldverschwendung oder?

Die beiden Spürhunde waren in ihrem Element. Nun wollten sie alles genau wissen. Viele Befragungen folgten vor Ort und in meiner ehemaligen Heimatstadt. Dabei stellte sich heraus, dass der Psychologe mit seiner Sprechstundenhilfe eine sexuelle Bindung eingegangen war, die seine Ehefrau auf keinen Fall dulden wollte und ihm deshalb das Leben zur Hölle machte. Dr. Kahnig hatte aber eine starke Schwäche für die holde Weiblichkeit und hatte noch weitere kurzfristige Sexabenteuer. Diese bittere Erkenntnis machte aus den einstigen Gegnerinnen Gleichgesinnte. Sie verbündeten sich gegen Kahnig.

 

Mit all diesem Wissen gingen Neuner und Schwule frontal gegen die Frauen vor und belasteten sie mit der Aussage, dass sie beide den Tod an Dr. Kahnig geplant und ausgeführt hätten. Da sich die Frauen gegenseitig ein Alibi gaben war der Frontalangriff verpufft. Keine der Damen gab sich eine Blöße.

 

In die Suche nach dem waren Mörder oder der Mörderin trat ein Stillstand ein. Neuner konnte erreichen die damals eingesammelten Kleidungsstücke und Gegenstände aus dem Mordzimmer forensisch nach den neuesten Erkenntnissen untersuchen  zu lassen. Die Untersuchungen führten zu dem Ergebnis, dass an keinem meiner damals getragenen Kleidungsstücke Blutspritzer festgestellt werden konnten. Vielfache Versuche ergaben, dass an der Kleidung aber Blutspritzer vorhanden sein müssten, wenn ich Dr. Kahnig ermordet hätte.

 

Mit den Nachweisen untermauert, wurde ein Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet. Ich wurde von dem Mord an Dr. Kahnig freigesprochen.

 

 

 

 

                                               9. Kapitel

 

Neues Leben

 

 

Nach beinahe acht Jahren hatte ich die Freiheit wieder. Es fiel mir jedoch unheimlich schwer mich in meinem neuen Leben zurechtzufinden. Es waren nur knapp acht Jahre und dennoch fehlte mir die Bindung zum normalen Alltagsleben. Meine Selbstsicherheit, meine Fähigkeiten aber auch meine Selbstachtung war dahin. Ich kam mir vor wie von der Hölle ausgespuckt. Ohne jegliche Perspektiven. Ich war unruhig und nervös.

 

Neuner war am Ende. Die aufreibende Arbeit für mich hatte an seinem Körper und Geist Spuren hinterlassen. CC nahm das alles sehr mit, obwohl sie mir mehrfach versicherte Neuner war nur ein guter Kamerad. Die bei den Besuchen im Gefängnis aufgeflammte Vertrautheit war dahin. Es war zum Haare ausraufen.

 

Die Beerdigung von Neuner, den ich zum Schluss als guten Freund betrachten durfte, war der berühmte Tropfen der das Fass zum Überlaufen brachte. Als Schwule erklärte zurückzukehren schloss ich mich spontan an. CC war sehr traurig. Ich hoffte mit genügend Abstand mein Leben wieder in normale Bahnen lenken  zu können.

 

Schwule wollte wie einst Neuner mit dem Flieger nach Moskau. Dann mit der TransSib weiter in die Mongolei. Den Rest per Pferd zurücklegen. Ich hatte kein Geld und wollte auch kein Almosen, deshalb gab ich kund, dass ich per Anhalter und per pedes nachkomme. So ein Schwachsinn meinte Schwule und verschwand. CC war nirgends zu sehen.

 

Mit dem im Gefängnis ersparten Geld kaufte ich mir eine komplette wandertaugliche Ausrüstung und zog los. Nicht lange und die ersten Schwierigkeiten tauchten auf. Das Wandern insbesondere bergauf fiel mir immer schwerer. Deshalb stellte ich mich an den Straßenrand und hob den Daumen. Mehr schlecht als recht schaffte ich die ersten zwanzig Kilometer. Wenn das so weiter geht, sinnierte ich, käme ich erst am Nimmerleinstag bei Schwule an.

Am zweiten Tag wurde es nicht besser. Ich hatte zwar eine gute Mitfahrgelegenheit und schaffte hundert Kilometer, beim Wandern jedoch zeigten sich alte Schwächen. Ich wollte es nicht wahrhaben und schob noch einen dritten und vierten Tag nach. Es ging aber nicht. Ich war am Boden. Aus den Erzählungen von Schwule über die Erkrankung seiner Ehefrau, hatte ich den Krankheitsverlauf deutlich vor Augen und stellte gewisse Parallelen bei mir fest.

 

Ohne ärztliche Konsultation war mir trotzdem klar ich habe MS. Die Erkenntnis brach alle Dämme die ich aufgebaut hatte. Ohne zu Zögern rief ich CC an und teilte ihr meinen Zustand mit. Unter Tränen versicherte sie mir mich sofort zu holen. Es dauerte noch bis zum Abend bis sie endlich bei mir war. Wir fielen uns in die Arme wie ertrinkende und schluchzten um die Wette.

 

CC hatte ihre frühere Idee einen Buchladen zu führen in die Tat umgesetzt. Dank ihrer ausgezeichneten Verbindungen zu den Verlagen erreichte sie, dass ich als Lektor eine Anstellung fand. Die Krankheit hielt inne, so dass ich für den Hausgebrauch noch laufen konnte. Der Muskelschwund war nicht aufzuhalten. Durch gezielte Trainingsmaßnahmen konnte ich ihn nur verzögern. Geistig war ich jedoch nach wie vor auf der Höhe.

 

CC und ich hatten uns endlich gefunden.

 

Neben meiner Arbeit als Lektor konnte ich mir, inspiriert durch die Fotos in den Journalen, als Fotograph einen Namen machen. Manche Aufträge konnte ich wegen meiner Behinderung zwar nicht annehmen, die restlichen füllten mich jedoch ganz und gar aus.  Ich blühte immer mehr auf und fand meine alten Tugenden wieder. Ich war beinahe wieder der Alte.

 

Ich hätte früher nie geglaubt, dass die Fotographie so rentabel ist, wohlgemerkt die Spezialfotographie. Ich hatte einen goldenen Blick für die Fotographie entwickelt, der den Nabel der Zeit traf. Nabel im wahrsten Sinne des Wortes. Denn ich fotografierte hauptsächlich Models. CC war davon nicht so begeistert wie ich.  

 

Ich gab die Beschäftigung als Lektor auf, damit  ich meine Erlebnisse schriftlich verankern konnte und dabei nicht in den Ruf eines Plagiaten kommen würde. Wegen meiner Tätigkeit als Fotograph hatte ich wenig Zeit für mein Buch. CC war aber unerbittlich und hielt die Flamme am brennen. Dadurch wurde mein Buch doch schneller fertig als ursprünglich gedacht. Es wurde ein ganz toller Erfolg. Plötzlich stand ich im Mittelpunkt des Interesses und war bekannt wie ein bunter Hund. Mein Buch verkaufte sich überdurchschnittlich gut. Ich hatte im Gefängnis gelernt mit fiktivem Geld umzugehen. Nun besaß ich echtes Geld, und nicht so wenig.   

 

Ein weiterer überraschender pekuniärer Zufluss war die  Haftentschädigungssumme.

 

Wenn man acht lange Jahre nur mit dem nötigsten auskommen musste und plötzlich mit einem ansehnlichen ehrlich erworbenen Kapital versehen ist, wird einem unweigerlich schwindlig vor den Augen. Diese Geldsituation hat mich so überrollt, dass ich Angstzustände bekam. Mein Seelenleben kam aus der Bahn. Ich musste etwas dagegen unternehmen.

 

In einem ausführlichen Gespräch mit CC teilte ich ihr meine Sorgen und Ängste, die der Kapitalzufluss bewirkten, mit, und wir erarbeiteten einen Schlachtplan.

 

Eingedenk der Ursache meiner ganzen Misere war uns klar, dass wir eine Stiftung gründen wollten.  Viele Gedanken und Ideen durchfluteten unsere Gespräche. Eins war uns im voraus klar, Vorstellungen wie vor acht Jahren waren nicht zu realisieren, weil auch das Kapital geringer war als in meinen einstigen Hirngespinsten. Was also sollte der Sinn unserer Stiftung sein? Wer sollte sie leiten und führen? Ich wollte auf keinen Fall da einsteigen und CC wollte ihre Selbständigkeit nicht aufgeben.

 

Nach langen Beratungen mit Behörden, sozialen Einrichtungen und Verwandten von CC, kamen wir zu dem Ergebnis die Stiftung solle der Forschung bezüglich der Entstehung von MS dienen. Forschungsprojekte, die finanzielle Unterstützung nötig hatten, gab es reichlich.

10. Kapitel

 

Stiftung wird wahr

 

 

Ein Brief von meiner früheren Frau Angela? Unmöglich, der Absender lautete auf A. Naumann und die Adresse des Absenders war mir völlig unbekannt. Trotzdem öffnete ich den Brief und stellte verwundert fest, er kam von meiner früheren Frau.

 

Sie habe meine Rehabilitation verfolgt und gratulierte mir zum Erfolg. Noch ein paar Höflichkeitsfloskeln und das war es eigentlich. Ich wollte den Brief zur Seite legen. Basta!! CC, die mitgelesen hatte meinte jedoch das wäre ein Hilferuf. Ich konnte nichts feststellen was darauf hindeutete. Sie aber mit ihrer weiblichen Intuition und ihrer Fähigkeit zwischen den Zeilen zu lesen war davon überzeugt.

 

Zwei Tage später teilte sie mir mit, dass sie ihren Bücherladen für die nächste Zeit geschlossen halte und dass sie einen Besuch machen wolle und zwar bei Angela. Ich wollte unbedingt mitfahren. Sie aber machte mir klar, ich solle erst einmal ein Gespräch unter Frauen zulassen, dann könne man weitersehen.

 

CC war nicht nur Frau, sondern auch Diplomat. Sie fand sofort Gefallen an Angela und gewann ihr Vertrauen. In vielen Gesprächen erfuhr CC wie es meiner Ex nach meiner Verhaftung und der Urteilsprechung ergangen war.

 

Sie war trotz der Scheidung vielen Anfeindungen ausgesetzt, weil ich einen so lieben und netten Menschen wie Dr. Kahnig ermordet haben sollte. Auch in der Firma lief nicht alles reibungslos. Sie war drauf und dran zu kündigen. Wegen ihres Wertes für die junge Firma wollte sie der Inhaber nicht verlieren. Da das junge Unternehmen stark expandierte und auch in München eine Filiale eröffnete bekam Angela das Angebot dort weiterzuarbeiten. Sie nahm dankbar an und zog um nach München.

 

Sie fühlte sich nicht wohl in der Großstadt und zog sich merklich zurück. Der Filialleiter aber machte ihr ständig den Hof, bis sie seinem Werben nachgab und heiratete. Ihr Leben hätte glücklich sein können, wären da nicht dunkle Wolken an der Börse heraufgezogen. Die risikoreichen Geschäfte des Filialleiters führten zum geschäftlichen und persönlichen Ruin. Er nahm sich das Leben. Angela war noch einsamer als vorher. Zudem war sie arbeitslos. Sie musste aus der schicken Stadtwohnung ausziehen und flüchtete ins Hinterland.

 

Von dort aus verfolgte sie alle Geschehnisse um meine Person, die von der gesamten Presse veröffentlicht wurden.   Sie kannte auch mein neues Lebensmilieu.

 

CC lud sie herzlichst ein uns doch recht bald zu besuchen. Etwas Abwechslung täte ihr sicherlich gut und ich hätte bestimmt nichts dagegen. CC war da etwas voreilig. Mir war es gar nicht so recht, dass sie ohne Rückfrage diese Einladung ausgesprochen hatte. Schließlich fand unsere Trennung damals unter unglücklichen Umständen statt  und wir hatten uns jahrelang nicht gesehen. Papperlapapp mach nicht so viel Aufhebens. Eine ordentliche Aussprache stünde schon lange an, meinte sie in ihrer unbekümmerten Art.

Angela zögerte noch etwas, aber dann besuchte sie uns. Es folgten lange Erzählungen und auch Diskussionen zu den Geschehnissen der letzten Jahre. Jeder hatte etwas beizutragen, denn alle waren wir davon betroffen. Es kam sogar soweit, dass wir ab und zu eine große Runde zu hause hatten. Es kamen nämlich noch der ehemalige Gefängnisdirektor und der Leiter des Gefängnisausschusses nebst Ehefrau.

 

Nachdem wir die Vergangenheit ausführlich Revue passieren ließen, kamen wir zu meinem Lieblingsthema, die Stiftung. Angela war zunächst eigentümlich berührt, weil doch gerade das Grundlage für die zurückliegenden Ereignisse war. CC konnte sie aber beruhigen und ihr die veränderte Situation deutlich machen.

 

Während der Abwesenheit von CC hatte ich für die Gründung einer Stiftung vieles in die Wege geleitet. Es fehlte mir allerdings noch der Kopf der Stiftung und der Verwaltungsrat. Dies bereitete mir erhebliche Probleme. Im Gegensatz zu meinen früheren Planungen war ich nicht bereit irgendeine Position innerhalb der Stiftung zu begleiten. Ich hatte da schon eine Idee, wollte aber mit Cornelia die Sache erst einmal gründlich besprechen.

 

Angela, meine erste Frau, die jetzt arbeitslos und man kann es ruhig beim Namen nennen, mittellos war, sollte nach meinen Vorstellungen die Stiftung leiten. Mit diesem Schachzug, so glaubte ich, könnte ich alle überraschen. Meine Cornelia hatte schon längst die gleiche Idee und hatte auch schon bei Angela die Weichen gestellt. Ich war mehr als perplex. Wie unkompliziert konnte doch die Welt sein.

 

Angela wurde Kurator der Stiftung „MS-Forschung Rhein-Pfalz“. Und in den Stiftungsrat wurden der ehemalige Gefängnisdirektor, der Vorsitzende des Gefängnisausschusses und seine Gattin gewählt. Damit waren alle Voraussetzungen erfüllt und ich war sehr zufrieden. Konnte ich mich doch voll und ganz meinem Beruf  und auch meinem Hobby widmen, ich hatte tatsächlich schon einen neuen Roman mit dem Titel  „Der falsche Prinz“ im Kopf.

 


Erich Peter Kuhn©

Redaktionell ergänzt im Juli 2014